17. März

Das war so ungefähr die kürzeste Strecke pro Tag, die ich zurückgelegt habe, gerade mal 25 km von Fes bin ich hängen geblieben. Und habe mal wieder ein Stückchen Marokko entdeckt, das ich bisher noch nicht kannte und das ich jedem nur heiß empfehlen kann.
Am Morgen packte ich zunächst mein Auto und wollte noch ein wenig herumspazieren am Borj Nord, an dem mein Hotel liegt. Da fand gerade ein winziger Markt statt, es war vielleicht gerade mal auf einem Platz vor dem Bab el Guissa von 50 qm. Menschen – Männer – dicht an dicht. Ein Passant sagte mir, das sei ein Singvogelmarkt. Das machte mich natürlich neugierig. Und tatsächlich. In winzigen Käfigen wurden Singvögel zum Verkauf angeboten, auch Tauben gab es, aber nicht zum Schlachten, sondern für echte Liebhaber. Gute Tauben erzielen hier hohe Preise. Es ist natürlich für Tierschützer nicht angenehm zu sehen, in wie kleinen Käfigen die armen Tierchen sitzen müssen, viele wurden auch einfach in der Hand gehalten. Zwei Brieftauben ließ man sogar fliegen, wohin auch immer.

Dann gings in Richtung Sefrou. Die Pflicht hätte mich zum Camping International führen müssen, aber irgendwie fuhr ich daran vorbei. Denn auf dem Plan stand Bhalil. Ich hatte dieses interessant klingende Örtchen bei der letzten Neuauflage des Reisehandbuchs im Internet gefunden und auch ins Buch gebracht, aber nun wollte ich es einmal mit eigenen Augen anschauen. Bhalil liegt nur 25 km von Fes an den sanften Abhängen des Mittleren Atlas und ist berühmt für seine Wohnhöhlen. Sie sehen von außen nicht unbedingt wie Höhlen aus, die Front ist gebaut wie ein Haus, aber dann gehen sie weit in den Berg und sind im Sommer schön kühl. Wer zum Beispiel Matmata in Tunesien kennt, wird hier nichts Bekanntes finden, auf den ersten Blick sieht Bhalil eher dem Rifstädtchen Chefchaouen ähnlich.
Auch im Internet hatte ich zwei Gästehäuser gefunden, eines sollte einem Franzosen gehören. Ich rief ihn an, keine Antwort. Also Nummer 2 auf der Liste. Kamal Chaoui, ein Marokkaner mit französischer Frau. Er antwortete nicht nur nett, sondern auch in Deutsch. Und war gleich bereit, mich zu empfangen und mir das Städtchen zu zeigen. Wir verabredeten einen Treffpunkt, von dem ich noch mal anrufen sollte. Dort wartete ich und es kam ein Mann auf mich zu. Ich begrüßte ihn mit Bonjour Kamal, aber so richtig sympathisch, wie ich ihn am Telefon eingeschätzt hatte, war er nicht und roch auch nicht besonders gut. Aber was tu ich nicht alles für meine lieben Leser, also gingen wir auf einen Rundgang durchs Dorf. Er erklärte mir alles, erzählte auch von seinem Vater, der als Führer arbeitet (immerhin bereits in meinem Buch genannt) und ebenfalls deutsch spricht und schließlich konnten wir in eine der Höhlen gehen, für die Bhalil so berühmt ist. Die Frau dort stellte er mir als seine Mutter vor. Den Tee lehnte ich ab und beim Abschied fragte man nach Geld. Das ist zwar normal für eine Besichtigung, nur verlangt man das nicht von einem Journalisten, denn der macht ja Reklame. Im Stillen beschloss ich, mir schnell noch das Gästehaus anzuschauen und dann abzudüsen. Auf dem Weg dorthin druckste „Kamal“ dann plötzlich herum. Er gestand, dass er gar nicht Kamal sei, statt dessen Karim heiße, aber mich nun zum Gästehaus bringe. Und natürlich auch Geld wollte. Bevor ich mich von meinem Staunen erholen konnte rief von hinten jemand „Edith“.
Und so traf ich also den richtigen Kamal. Das war doch etwas anderes! Ein gebildeter, sympathischer Mann, und auch gut riechend. Er war zwar zum Treffpunkt gegangen, aber da hatte Karim mich bereits abgeschleppt, und auch die Frau in der Höhle war keineswegs die Mutter. Richtig ist allerdings, dass Karims Vater als Führer arbeitet, aber auch er ist nicht unbedingt vertrauenswürdig, ich lernte ihn später noch kennen. Kamal zeigte mir sein Haus und das ist schon etwas, was man nicht unbedingt in einem so kleinen Ort abseits des Tourismus erwarten würde. Zunächst einmal die Bauweise: es ist sehr solide mit dicken Mauern und dreifach verglasten Fenstern. Innen ist eine von ihm entwickelte Fußbodenheizung, die das ganze Haus bis in die wunderschönen Bäder mollig warm macht. Alles was nur möglich ist, ist aus Holz, er hat einen Handwerker, der ein richtiger Künstler ist und nicht nur Zimmermannsarbeiten wir Fenster und Türen macht, sondern auch kunstvolle Schränke, von denen man kaum glaubt, dass sie heute noch jemand herstellen kann.
Kamal hat lange in Frankreich gelebt, auch in Karlsruhe, ist mit einer Französin verheiratet und nur der jüngste Sohn lebt noch zu Hause. Das Haus bietet bis zu vier Gästezimmer, die sehr liebevoll, mit bequemen Betten und vielen schönen Details eingerichtet sind. Hier denkt man auch an Kleiderhaken und sonstige Dinge, die in den meisten Gästehäusern vernachlässigt werden. Und jedes Zimmer hat ein sehr schönes, geheiztes Tadelaktbad. Selbstverständlich ist auch das Duschwasser warm und alles ist sauber und ordentlich.
Und erst das Essen! Es wird überwiegend marokkanisch gekocht, aber doch ein wenig französisch angehaucht. Beatrice macht die Tarts zum Nachtisch selbst und auch die Konfitüre zum Frühstück. Ich esse mit der Familie zu Mittag und wir bekommen eine fantastische Harira, die von der jungen Naima gekocht wurde, dazu Tajine mit frischen Erbsen und zartem Fleisch sowie einen Kirschenmichel (wenn auch mit Erdbeeren) zum Nachtisch. Das ist eine Premiere für mich in Marokko.
Dann geht’s auf einen erneuten Rundgang durch die 11.000-Seelen-Stadt. Hier gibt es außer den Höhlen noch eine weitere Besonderheit, die ich fast noch interessanter fand. Und zwar haben alle weiblichen Personen ab dem Teenageralter eine Beschäftigung, die ihnen einerseits ein wenig Geld bringt, vor allem aber den sozialen Kontakt pflegt. In kleinen Grüppchen sitzen in der haushaltsarbeitsfreien Zeit überall die Frauen – vor dem Haus, auf der Straße, an Plätzen, unter Bäumen und wo gerade eine nette Stelle ist – zusammen und stellen Knöpfe her, die kleinen handgearbeiteten Knöpfe, mit denen die Djellabahs von Männern und Frauen verziert sind. Es gibt einen Kommissionär, der das Material stellt und die Order ausgibt, denn natürlich müssen die Knöpfe in verschiedenen Farben hergestellt werden, wie gerade es die Mode verlangt. Sehr viele sind aus silbernen und goldenen Metallfäden. Diese Knöpfe werden in Beuteln zu jeweils 40 Stück zusammengepackt, die Menge, die für eine Djellabah benötigt wird, und die Frauen bekamen für einen solchen Beutel 5 Dirham. Bei unserem Rundgang haben sie sich gerade beschwert, dass dieser Betrag auf 4 Dirham herabgesetzt wurde. Man sitzt lange an 40 Knöpfen, aber genau haben sie uns die Zeit nicht nennen können. Dazwischen müssen sie sich ja auch um den Haushalt kümmern. Man muss sich solche Beträge mal gegenwärtigen, wenn man jemand, der bettelt, etwas Geld gibt. Doch ich denke, das schönste an der Arbeit ist der Kontakt mit den anderen Frauen, ich habe nirgends eine allein sitzen sehen.
Ein paar Fotos

Der Tourismus in Bhalil ist noch sehr unterentwickelt, dabei gibt es eine schöne Unterkunftsmöglichkeit und sehr viel zu sehen. Ich habe gemeinsam mit Kamal überlegt, wie man die Stadt ein wenig bekannter machen könnte. Denn der Besuch ist absolut interessant. Ich habe noch viel mehr gesehen, als ich hier schildern kann, und alles wurde von Kamal sehr gut erklärt. Deshalb haben wir zusammen ein Programm entwickelt, das Wohnmobilfahrer in diesen schönen Ort bringen wird und den ich an anderer Stelle vorstellen werde.

Ach ja, und mein „Directeur Commercial“ hat auch schon angerufen!