Ja leider, ich bin zurück in Taunusstein. Und das Wetter ist einfach schauderhaft. Da kommt man von 30 Grad und Sonnenschein zurück in eine graue Welt mit Wolken, Regen und unter 10 Grad. Nein Danke.
Aber ich muss nun erstmal weiter machen und versuchen, zumindest etwas Bewegung zu bekommen. Zum Fahrradfahren ist das kein Wetter, die Wälder verschlammt und kein Biketrail in Sicht. Also laufen. Nicht in den Wald, wegen besagtem Schlamm, sondern zum Flaschencontainer und die Runde durch den Ort etwas ausgedehnt. Komme auf dem Rückweg an der Praxis meines Hausarztes vorbei. Da ist etwas im Gange. Nur zur Erklärung, heute ist Samstag, der 1. April, also keine Sprechstunde. Bauarbeiter schuften schwer, reißen Einbaumöbel raus. Nun könnte man ja meinen, er modernisiert seine Praxis, aber lauter alte, leere Aktenordner stehen am Straßenrand. Von drinnen höre ich tatsächlich seine Stimme.
Jetzt mal ein kurzer Zwischensatz. Man hat ja seine Ärzte. Hoffentlich meist gute. Aber manchmal hat man einen Arzt, der mehr ist. Fast schon ein Freund. Unter meinen gehörten immer zwei dazu, mein Zahnarzt und mein Hausarzt. Das sind nicht nur Ärzte, sondern eben fast schon Freunde. Menschen, mit denen man reden konnte auch außerhalb der Krankheit. Den Zahnarzt habe ich im letzen Jahr verloren, ich komme später darauf zurück.
Ich gehe also rein um zu schauen, was hier los ist. Alle Akten sind weg geräumt und die Einbauten werden von den Arbeitern heraus gerissen. Schnell ist klar, eine Modernisierung ist das nicht. Mein lieber Dr. Heinzer steht mitten im Katastrophenzentrum und gibt Anweisungen. Ich bin entsetzt und frage, was los ist. Er sagt ganz einfach, ich mache nur das was Sie mir vormachen. In Rente gehen und das Leben genießen.
Schock. Er wird mir fehlen. Natürlich hat er recht, auch er muss das richtige in seinem Leben tun. Ich frage ob es einen Nachfolger geben wird, der die Krankenakten erhält. Er sagt nein. Er hat versucht, einen Nachfolger für die Praxis zu bekommen, aber keinen gefunden. Kein Arzt will mehr das finanzielle Risiko einer eigenen Praxis auf sich nehmen, will lieber in einem Ärztezentrum fest angestellt sein, und am liebsten sogar nur mit einer halben Stelle. Hausärzte haben keine Zukunft mehr. Und wir Patienten verlieren die Ansprechpartner. Natürlich, ein gut ausgebildeter angestellter Arzt in einem Ärtzezentrum wird sicher einen guten Job machen, aber ein persönlicher Anprechpartner für die Wehwehchen wird er nicht sein. Hausbesuche vermutlich auch nicht machen.
Schon im letzten Jahr, als ich aus Florida zurück kam, ist mir ähnliches passiert. Mein Zahnarzt Dr. Ehnes in Wiesbaden, zu dem ich wirklich eine gute Beziehung hatte, war plötzlich nicht mehr zu erreichen. Im Internet stand, die Praxis sei geschlossen. Ich fuhr sogar persönlich vorbei und fand, dass tatsächlich völlig geschlossen war, auch hier ohne Nachfolger und das immerhin in einem Bezirk von Wiesbaden, der eine sehr gute Lage hatte. Es geht also nicht nur um ländliche Bezirke. Die Großpraxen sind im Kommen und die Behandlung wird immer unpersönlicher.
Eins vergesse ich dem Zahnarzt nicht. Im ersten Coronawinter, als ich nicht nach Florida durfte, bin ich auf Glatteis ausgerutscht und habe mir den Kopf aufgeschlagen. Meine Nachbarin, Ex-Krankenschwester, hat einen Verband angelegt. Aber mein lieber Dr. Ehnes, zu dem ich wegen dem Kopfverband mit einer Wollmütze erschien, wollte sofort wissen, was passiert sei und hat mich zum Arzt geschickt. Hätte ich ohne ihn nicht gemacht. Und siehe da, die Wunde musste genäht werden. Ja, und mit dem Hausarzt habe ich immer über meine Reisen nach Marokko und Florida gesprochen, oft so lange, dass die Arzthelferin herein kam und meinte, Herr Doktor, sie müssen aber weiter machen.
Ach, wie werde ich die Beiden vermissen. Wünsche ihnen aber so eine schöne Rentenzeit wie ich sie auch habe.