Das schönste am Tree Give away Freitag war die Zeit, als ich noch allein mit den Kunden war. Wir konnten reden, uns über die Büsche austauschen und sie konnten in Ruhe den schönsten aussuchen. Habe auch nicht direkt mitgezählt, wieviel jeder mitnahm, denn ich hatte ja keine Ahnung, dass dies auf 2 Stück begrenzt war. Sollte halt die Anweisungen auch tatsächlich lesen, haha. Einer der Kunden, André, gab mir seine Karte. Das tun öfter mal Leute, aber wer die Amis kennt weiß, dass da nie was raus kommt. Er bekam meine auch, aber das wars.
Nachdem ich wegen fehlendem Baumnachschub am Samstag arbeitslos war nutzte ich das schöne Wetter, um Cathy zu besuchen. Sie gehört zu einer Kirchengemeinde in Mims, der UMS Chain of Faith. Die liegt direkt am Bike Trail, und Cathy hat einen ganz tollen Bike Stop aufgebaut. Es gibt einen Raum mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und Barbecue und hier gibt es einfach alles, was der Biker so braucht. Vor allem interessant für die Überlandfahrer. Hier können sie duschen oder sogar ihr Zelt über Nacht aufbauen. Man kann auch das Auto parken und den Trail von hier beginnen. Offiziell allerdings nur Samstag vormittag geöffnet. Cathy kümmert sich liebevoll um alle und bringt immer frische Donuts mit. Es gibt eine Donation Box, da kann man einfach reinwerfen, was man so möchte. Man freut sich aber auch über größere Spenden, denn alles was hier gebaut wird, wird nur mit den Spenden getan. Wenn wieder mehr Geld da ist soll ein guter Restroom mit WC und Dusche errichtet werden und natürlich auch eine Werkzeugstation. Cathys Ideen sind grenzenlos. Sie ist nicht ganz gesund, hat Knieprobleme, deshalb hat sie nun ein ganz tolles Rad gekauft, ein Trike mit E-Motor. Die sind hier in Florida sehr beliebt, so kommen auch ältere oder nicht ganz bewegliche Leute noch immer aufs Rad und in die frische Luft. Ich hatte für diesen Zweck aber am Trailhead Maytown Spur geparkt (gut 30 Meilen von zuhause), und bin dann die 12 Meilen hin und 12 zurück geradelt. Natürlich bei Cathy mit Kaffee und Donut gestärkt.
Am Sonntag früh ein wenig Büroarbeit erledigt und dann die Nase vor die Tür gehalten. Was für ein schönes Lüftchen. Ideal zum Radeln. Aber wohin? Hatte keine Lust, das Auto einzusetzen und tatsächlich kenne ich natürlich alle Ziele hier in und auswendig. Da bekam ich eine Message von André. So im Sinn, wenn du mal in die Gegend kommst …
Nun muss man erstmal meine Umgebung kennen. Ich wohne in Port Orange. Dies ist eine selbstständige Stadt, aber entlang der US1 reihen sich viele Städte ohne Zwischenraum wie an einer Perlenkette auf. Port Orange liegt am südlichsten, dann kommen South Daytona, Daytona Beach, Holly Hill, Ormond Beach und schließlich Ormond by the Sea. Ohne Unterbrechung. Warum das nicht eine einzige Stadt ist weiß ich nicht. Es sind in direkter Linie genau 20 Meilen oder 33 Kilometer und tatsächlich wohne ich am südlichsten Punkt und André am nördlichsten. Mein GPS spuckte also genau 20 Meilen aus und gab 1:50 h Fahrzeit an. Los gings.
An der Granada Bridge in Ormond Beach waren es immer noch 8 Meilen und ich überlegte umzukehren. Nicht dass ich keine 20 Meilen durchhalte, aber ich muss ja auch wieder zurück. Aber mein Stolz siegte. Nun habe ich es so weit gebracht, da geht auch noch mehr. Und klopfte schließlich an Andrés Tür. Wau, wau. Oh, werde ich jetzt zum Frühstück verspeist? Dem Geräusch nach (und auch in Wahrheit) ein richtig großer Hund. Aber nachdem er sich bemerkbar gemacht hatte zeigte er sein wirkliches und verschmustes Gemüt. Ich konnte also ohne Gefahr rein. Eine Gefahr ging auch von André nicht aus, er scheint kein Serienkiller zu sein, der seine Leichen im Garten vergräbt (ich sehe zu viel True Crime). Nein, stattdessen setzten wir uns in diesen Garten und ich konnte seine gärtnerischen Bemühungen sehen. André wohnt noch nicht so lange in dem Haus, deshalb brauchen seine Pflanzen nun erst einmal einen Sommer, aber es könnte schön werden. Gibt sogar Papayas und Olivenbäume.
Aber dann kam raus, dass er gar kein waschechter Ami ist. André ist Schweizer, und trotz seines französischen Namens schwyzerdütsch aufgewachsen. Und jetzt kommts: nachdem er seinen Militärdienst abgeleistet hatte und in der Richtung nicht mehr eingesetzt werden wollte, ging er ins Ausland, nach Wiesbaden! Und lernte Friseur, brauchte es bis zum Meister. Das war in den 1960ern, also die Zeit, als auch ich nach Wiesbaden kam. Ich fragte ihn nach dem bekanntesten Friseur dieser Zeit, dem Salon Hölzel, und er sagte, ja klar, das war mein Meister. Tja, so klein ist die Welt. André nahm aber an internationalen Wettbewerben teil und so bekam er schließlich ein Jobangebot in die USA. Ihr merkt schon, wir haben uns an diesem netten Nachmittag unser ganzes Leben erzählt und ich will natürlich nicht alles mitteilen, nur so viel, er blieb nicht beim Haareschneiden, sondern hatte später ein Baugeschäft. Und nun Retired in Florida.
Inzwischen war es Lunchtime und André bot an, für uns Pasta zu kochen. Das tat er richtig gut. Ist halt kein Ami! Ein Gläschen Wein dazu und schließlich meinte ich, ich müsse mich auf den Heimweg machen. Er bot an, mein Rad in seinen Van zu packen und mich heimzufahren. Shit, ich faule S… nahm das tatsächlich an. Mit schlechtem Gewissen natürlich, aber so konnte ich André dann noch mein kleines Paradies zeigen und wir nahmen uns vor in Kürze zu einem schweizer Käsefondue zusammen zu kommen.