Google-Reisen

Nicht nur Merzouga hat sich verändert, vor allem die Reisenden haben sich verändert. Früher kamen nur einzelne, abenteuerlustige mit ein wenig Zeit. Wir sind gereist, um ein Land kennen zu lernen, um etwas über die Menschen zu lernen, zu sehen wie sie leben, um uns mit ihnen anzufreunden. Oft haben wir genauso gelebt wie sie, nicht selten wurde ich von einer Familie eingeladen zur Übernachtung, habe mit allen anderen auf dem Boden geschlafen, zuvor im Salon auf dem Teppich gesessen und ein Tajine mit ihnen aus der gleichen Schale gegessen.

Das ist heute vollkommen  anders geworden, heute regiert die Google-Welt. Man klickt sich eine Route in Minuten zusammen, findet entsprechende Übernachtungsmöglichkeiten in booking.com, das geht auch fürs Wüstenbiwak, einen Reiseführer braucht man nicht mehr. Den müsste man ja lesen. Das ist zu viel verlangt von den heutigen Reisenden, dafür hat niemand Zeit. Eine Woche Marokko, man findet die Highlights in Google, Kamel reiten, Sonnenuntergang auf der Düne, Tee bei den Nomaden, das ist das Event. Und auf zum nächsten Land.

Über das Land wissen diese Reisenden überhaupt nichts. Haben kein Hintergrundwissen, kennen nicht die Traditionen, wissen auch nicht, was es rechts und links von google maps noch zu sehen gibt. Oder es passieren solche Dinge: Ein Anwohner in Merzouga hat vor seinem Haus privat einen Brunnen gebaut für seine Nachbarn, die oft noch kein fließend Wasser im Haus haben. Damit sie nicht so weit laufen müssen. Er wohnt nicht zentral, etwas abgelegen, doch dann kommt ein Hippie-LKW und bunkert Wasser im großen Stil. Wasser, das rar ist. Von seinem privaten Brunnen. Warum? Weil irgendeiner diesen Brunnen in google eingetragen hat und nun jeder kommt.

Meine Bücher waren noch anders. Ich habe viel über das Land und seine Bewohner geschrieben, habe auch erklärt, wie man sich z.B. verhält, wenn man in ein Haus eingeladen wird. Aber tatsächlich gehören meine Leser heute alle einem höheren Alter an, einer anderen Zeit.