Tajine

Eine andere Sache, die ich vermisse gegenüber früher, ist das Essen mit Freunden. Früher kam ich irgendwo an, die Familie saß beim Essen, ich wurde dazu gebeten, wir saßen alle im Kreis um die Schüssel, das Brot in der linken Hand, mit der rechten brach man davon ein Stück ab und tunkte damit die Tajine-Soße auf, nahm ein paar Gemüsestücke. Am Ende verteilte der Hausherr gerecht das Fleisch an alle Personen. Mir hat es vor allem deshalb gefallen, weil nicht so auffiel, wie viel ich esse, ich konnte langsam machen, nur kleine Häppchen nehmen und fühlte mich gut. Das ist heute absolut vorbei. Teils liegt es daran, dass ich nicht mehr so viel in Familien komme, dass ich meist die Hotels und Campingplätze besuche und wenn man mich dort zum Essen einlädt, dann bekomme ich ein richtiges Menü, marokkanischer Salat, Tajine in kleiner Schale nur für mich, Obst zum Nachtisch. Und das schlimmste, das Tajine muss mit Löffel auf einen Teller gehäuft werden, der ganze Geschmack ist hin. Der entsteht nur, wenn man direkt aus der Schale isst, in der es gekocht wurde.

Gestern habe ich eine Tour mit Mohammed gemacht. Er stammt aus Taouz, wohnt dort in einem kleinen Haus, ich war früher schon dort. Nun ist er wegen dem Schulbesuch der Kinder nach Merzouga gezogen, hat sich dort ein Haus gebaut, wie er stolz erzählt, aber ohne Strom und fließend Wasser. Das sei zu teuer. Auf dem Rückweg lud er mich ein, das Haus zu sehen. Ich lehnte ab. Weiß ja, wie es läuft. Es gibt Tee, seine Frau kocht etwas für mich und das wäre dann tatsächlich so, wie ich es ja vermisse. Aber ich möchte ihm nicht zur Last fallen und sage, nein, ich bin müde und möchte lieber ins Hotel. Tatsache ist aber, dass ich Hunger habe, ich sage es aber nicht. Denn ich hatte ja für 18 Uhr mein Abendessen bestellt und es ist schon 2.

Im Hotel angekommen verziehe ich mich erst einmal aufs Zimmer zum Erfrischen. Wieder unten ist Mohammed noch da und auch Youssef, der Hotelinhaber. Mohammed fragt, ob ich Hunger habe. Nein. Er meint, er aber schon, er wird in der Küche was essen. Da bricht es aus mir heraus, dass ich auch gerne mitessen möchte, ich mag das nicht immer allein zu essen, esse lieber mit allen zusammen. Okay, dann essen wir zusammen. Ich freue mich auf die große Schale, wasche schon mal meine Hände.

Doch es kommt anders als man denkt. Im Restaurant wurde ein Tisch wunderschön für uns beide gedeckt, mit Besteck und Teller. Und es kommt ein wirklich schönes Tajine, dazu ein Löffel und natürlich muss jeder seinen Teil auf seinen Teller häufen. Ach ja …

Es ist schon seltsam, mit dem doch recht einfachen Mohammed am festlich gedeckten Tisch zu sitzen. Er ist nomadischer Herkunft, ich habe vor Jahren seinen Vater kennengelernt, als wir auf eine Pistenfahrt aufbrachen, belud er meinen Wagen mit Mehlsäcken und dergleichen und irgendwo im Nirgendwo stand da der alte Mann alleine und wartete auf uns, sein Zelt hinter dem Berg versteckt. Ich fragte übrigens, ob er noch immer in der Wüste lebt. Nein, er ist nun völlig blind und musste ins Dorf ziehen. Mohammed hat nie die Schule besucht, kann nicht lesen oder schreiben, aber hat durch die Touristen Französisch gelernt und nun auch Englisch.