1986 im Frühjahr war meine erste Marokkoreise, die mich so sehr begeistert hat, dass ich noch im gleichen Jahr einen Geländewagen kaufte und nach Marokko zurück kam. Und dann habe ich auch meinen ersten Kamelausflug in die Wüste gemacht. Vor dem Hotel La Fibule in Zagora warteten die Kamele, nach Mhamid kam man damals nicht so leicht und zum Erg Chegaga schon gar nicht. Marokko und Algerien hatten Differenzen über den Verlauf der Grenze und der Süden ab Tagounit war nur mit Genehmigung und Führer befahrbar. Schon im nächsten Jahr wurde das aber aufgehoben.
Doch was wusste ich damals schon von Chegaga, ich hatte noch nicht mal den Namen gehört. Also begann für mich die Wüste vor Zagora. Wir waren drei junge Frauen, den Kamelen wurde unser Übernachtungsgepäck aufgeladen und hoch ging es auf mein erstes Kamel. Ist ja nicht so einfach, wenn das Tier erst auf die Vorderbeine geht, dann auf die Hinterbeine und man sich ganz schön an dem unbequemen Touristensattel festklammern muss. Da fällt auch durchaus schon mal jemand runter. Die Tuareg würden auf so einem komischen Ding nicht reiten, sie haben ganz hohe Holzsättel, ledergebunden und verziert und sitzen darauf mit vor sich gekreuzten Beinen und nackten Füßen. Mit diesen lenken sie das Dromedar. Für einen richtigen Tuareg muss sich das Kamel auch nicht hinlegen, sie klettern über Knie und Hals des Tieres hinauf. Aber ein Tourist wiederum könnte sich nicht auf so einem Sattel halten.
Wir ritten also am Nachmittag hinaus in die Wüste vor Zagora, fanden am Boden die leuchtend gelben Bitterkürbisse. Ich war so unvorsichtig, einen anzufassen, was zunächst nicht weiter auffiel. Erst als ich viel später mit meinen Fingern zum Mund fasste kam der schrecklich bittere Geschmack, also das muss wirklich nicht sein. Wir fanden eine einsame Palmengruppe und schlugen dort unser Lager auf, an Zelte war damals noch nicht zu denken. Die Kamele wurden angehobbelt, wer nicht durch Karl May gebildet ist, dabei werden die Beine so zusammengebunden, dass das Tier zwar ein wenig laufen und nach Futter suchen kann, sich aber nicht allzu weit entfernen. Unsere beiden Begleiter begannen sodann mit der Zubereitung des Abendessens, wobei wir durchaus einbezogen wurden, wir schnippelten Karotten und schälten Kartoffel. Unser Lager bestand nur aus Wolldecken auf dem Sandboden, es gab weder Matratzen noch Stühle oder Tische. Zur Beleuchtung gab es Sonne, Sterne und Mond. Nach dem Sonnenuntergang tranken wir zunächst einen Tee, und irgendwann war auch das auf Holzkohle schmorende Tajine fertig. Wir unterhielten uns sehr nett mit den beiden Kameltreibern/Köchen und es gab, obwohl wir noch recht junge Frauen waren, nicht die geringste Anmache oder unangenehme Situation.
Danach sank jeder auf seinen Decken nieder, betrachtete den unglaublichen Sternenhimmel und die leuchtende Milchstraße und irgendwann fielen dann die Augen zu. Und am nächsten Morgen verblüfften uns unsere Begleiter mit dem Auftrag, hinaus in die Wüste zu gehen und die Dromedare zu suchen. Wir schafften es, natürlich nur mit etwas Hilfe.
Viele Jahre lang habe ich keinen Wüstenausflug mehr gemacht. Natürlich bin ich oft mit meinem Geländewagen über Pisten gefahren, habe auch häufig in meinem Zelt frei in der Wüste geschlafen. Viele der heutigen Asphaltstraßen waren damals noch schwierige Pisten und wer zum Beispiel von Mhamid nach Merzouga fahren wollte brauchte meist eine Übernachtung unterwegs. Und Hotels, nada!
Dann lernte ich Abdou kennen, der im Jahr 2000 gerade seine Agentur Sahara Services gegründet hatte. Und irgendwann nahm ich dann an einem seiner Ausflüge teil. Er hatte damals nur ein einziges Biwak am Erg Chegaga, eben so, wie die Biwaks damals waren. Es waren braune Nomadenzelte, nach wenigen Jahren wurden aber schon an den Seiten Lehmmauern errichtet und darüber Zeltbahnen gespannt. Innen schlief man zunächst auf Matten, bald aber kamen Betten, damit die Gäste nicht Angst vor Schlangen und sonstigen Krabbeltieren haben mussten. Abseits war ein Klohäuschen, mehr schlecht als recht, in Zagora waren wir noch einfach in die Wüste gegangen, aber es gab ja auch wesentlich weniger Touristen. Und zum Essen setzte man sich auf einen niedrigen Hocker an einen ebensolchen Tisch. Ich habe es gehasst und fand das total unbequem, schimpfte mit Abdou und sagte, die ganze Wüstenatmosphäre ist doch dahin. Aber er konterte, dass die Gäste das haben wollen, sie wollen nicht auf dem Boden sitzen oder schlafen. Ich konnte den Wüstentourismus nicht aufhalten und hielt meinen Mund.
Dann ging es bei Abdou eine Stufe höher, er hat schon immer den Blick nach vorne gerichtet, hat immer gute, neue Ideen. Die braunen Nomadenzelte wurden durch weiße Festzelte ersetzt, was den Vorteil hatte, dass man darin überall stehen konnte. Und hinten war ein kleines Babyzelt angebaut, das eine Nasszelle mit Chemieklo und Eimerdusche enthielt. Vom Solarpanel gab es abends ein wenig Licht.
Doch seit kurzem hat Abdou ein drittes Camp, ein Luxus-Biwak. Und obwohl nun tatsächlich die eigentliche Wüstenatmosphäre weg ist lieben die Gäste dieses Camp und auch ich bin voll darauf eingeschwenkt. Heute Nacht habe ich wieder einmal dort geschlafen und es ist einfach toll. Die Zelte stehen ein wenig entfernt vom Nachbarn, auch hier wieder weiße Festzelte und jedes hat, wenn auch nur von einer Zeltbahn abgetrennt, ein richtiges Bad mit Sitz-WC, Waschbecken und Dusche. Und dazu gibt es rund um die Uhr Licht vom Solarpanel und sogar eine Steckdose, um das Handy zu laden, obwohl es in Chegaga nur an wenigen Stellen auch Empfang hat. Die breiten, bequemen Betten haben wunderbar weiche Zudecken, die Zelte sind gemütlich eingerichtet und vor jedem Zelt ist eine kleine Terrasse mit zwei Sesseln, so dass man hier den Abend genießen kann.
Sofern nicht die Kamele bereits warten, um die Besucher zu den Sanddünen zu bringen. Wir sind fast eine Stunde geritten und haben dann von der höchsten Düne den Sonnenuntergang beobachtet, es war ein wunderschöner, windstiller Abend nach Sandsturm und Regen die letzten Tage. Zurück im Lager gab es dann Tee und Nüsschen, um 8 Uhr wurde von den netten, blau gewandeten Jungs das Abendessen serviert, ganz lecker Couscous mit Gemüse und Rinder-Tajine mit Pflaumen. Danach saßen alle um das Lagerfeuer, die einheimischen Jungs trommelten, was das Zeugs hielt und forderten dann die Gäste auf, auch etwas zum Besten zu geben. Meine drei Kunden, die diesen Ausflug bei mir gebucht hatten und die ich in die Wüste begleitete, konnten ebenso wie ich kein Lied, aber eine Gruppe Österreicher brachte richtig schönes Volksgut zu Gehör mit dazu passendem Klatschen. Ein durchaus gelungener Abend.
Und das Frühstück am nächsten Morgen überraschte mit Crêpes und Pfannkuchen in der Wüste. Nicht schlecht.