Matmata – Ksar Rhilane

Endlich auf der Piste

Am nächsten Morgen ging es weiter. Kurz hinter Matmata begann endlich die Piste, das Abenteuer konnte beginnen. Nach Toujane bog ich auf eine wenig befahrene Piste ab, die mich nach Beni Khaddeche bringen sollte. Plötzlich waren keine Wegweiser mehr da. In einem Dorf endete der Weg, mehrere alte Männer saßen vor einem Laden auf dem Boden. Ich fragte sie nach dem Weg. Man wollte mich zurück nach Toujane schicken, aber ich blieb hartnäckig. Es musste doch eine Piste nach Beni Khaddeche geben. Ein Mann, später stellte sich heraus, dass es der Omda (Bürgermeister) war, zeichnete mir die richtige Piste auf und lud mich zum Tee ein. Es war schon ein erhebendes Gefühl für mich, in einem Land, in dem die Frau nicht viel gilt, im Kreis der Honoratioren von Smerten auf dem Boden zu sitzen und Tee mit ihnen zu trinken. Würden sie diese Gastfreundschaft auch einer auf der Durchreise befindlichen Tunesierin erweisen? Oder sehen sie mich etwa nicht als Frau an?

Später zeigte mir der Bürgermeister noch sein Haus und stellte mich der Familie vor. Das Haus bestand zum Teil noch aus der alten Höhlenwohnung, in der die Großmutter wohnte. Er selbst aber hatte sich davor ein neues Haus gebaut, in dessen Salon er mich stolz führte und mir ein Duftwasser zur Erfrischung anbot. Er wollte mir sicher zeigen, dass man in Smerten sehr modern lebte. Nachdem ich noch mit ihnen gegessen hatte, ging die Reise weiter.

Übernachtung in Ksar Hadada

Am Nachmittag kam ich durch Ksar Hadada. Das ist ein kleines Dorf in den Bergen, in dem es einen alten Ksar gibt. Diese Ksars sind ehemalige Getreidespeicher, die die Nomaden gemeinsam anlegten, um ihre Vorräte besser zu schützen, während sie mit ihren Herden unterwegs waren. Die Räume sind wie Bienenwaben neben- und übereinander gebaut. Um alles gibt es eine Mauer aus Lehm, so dass die Ansiedlung vor feindlichen Überfällen gut geschützt war. Dieser Ksar ist heute nicht mehr bewohnt, man hat aber einige der Räume restauriert und zum Hotel umfunktioniert. Das wirkt sehr gemütlich und originell und ich beschloss sogleich, hier zu übernachten. In Tunesien gibt es viele dieser ursprünglichen Hotels und man kann gut und preiswert dort wohnen und essen.

Im Hotel gibt es natürlich wieder die übliche Anmache, es findet sich sofort ein Angestellter, der meine persönliche Betreuung übernehmen will. Ich bleibe dann immer freundlich und höflich, ich unterhalte mich ja gern mal mit jemand. Es wird im Gespräch zwar auch mal auf den Busch geklopft und vorsichtig angefragt, was man denn ohne männliche Begleitung in Tunesien suche und ob vielleicht ein kleines Abenteuer gefragt sei. Aber wenn ich bestimmt dieses Ansinnen abweise, ist man auch zufrieden. Und meist geht es den jungen Angestellten auch nur um eine Unterhaltung, denn im Hotel ist um diese Jahreszeit nicht viel los.

Weiter ging es nach Chenini, einem Ort, der sich eng an einen Berggipfel klammert. Im Reiseführer steht, dass die Menschen dort sehr abweisend sind und ich muss das leider in meinem Fall bestätigen. Kurz vor dem Dorf begegnete mir ein Schäfer mit seiner Herde, der gerade bei einem neugeborenen Lämmchen kniete. Ich hielt, stieg aus und wollte mir dieses hübsche Bild näher anschauen – ohne Fotoapparat! Aber der Mann schickte mich so böse weg, dass mir jegliche Lust verging, hier länger zu bleiben. Lediglich die unterirdische Moschee sah ich mir an, schon bei der Anfahrt traf ich einen alten Mann, der mich herum führte. Er verdient sich damit ein kleines Zubrot.

Hinter Chenini verließ ich das Gebirge und fuhr weiter über steinige Hamada. Es war manchmal ein bisschen schwierig, die richtige Piste zu finden. Viele Wege in umliegende Orte zweigen ab, ich musste den Kompass zu Hilfe nehmen, um die Richtung nach Ksar Rhilane zu finden. Wegweiser gibt es kaum. Endlich traf ich auf die „Erdölpiste“, sie führt entlang der Pipeline, die algerisches Erdöl zum Hafen im Golf von Gabes bringt. Diese Piste ist sehr breit ausgebaut und meist schnurgerade. Leicht kann man hier mit 100 Stundenkilometern fahren. Aber schon nach kurzer Zeit geht von diesem schönen Weg eine kleinere Piste nach Ksar Rhilane ab. Hier beginnen nun endlich die Sanddünen, die man sich in der Sahara vorstellt. Das bedeutet aber auch, dass die Fahrspuren oft vom Sand überweht sind. Ich schaffte es aber, ohne einzusanden zur Oase zu kommen.

Übernachtung unter dem Sternenhimmel

Ksar Rhilane ist nur eine winzige Ansiedlung. Neben wenigen Häusern gibt es eine schöne Oase mit Gärten, in denen die Bewohner eifrig arbeiten. Wasser gibt es genug, zumindest jetzt im Dezember. Die Datteln hängen reif an den Bäumen. Hinter Tamariskenwäldern, in denen Vögel zwitschern, liegt ein See, der von einer warmen Quelle gespeist wird. Einem Bad steht also nichts im Wege. An dem See gibt es ein Zeltlager. Schwarze Nomadenzelte sind als Camp aufgebaut, um Touristen als Unterkunft zu dienen. Wenn aber nicht gerade eine Gruppe angemeldet ist, gibt es nicht viele Gäste und man kann die herrliche Umgebung genießen. Die Wüste blühte, überall grünte es. Das Camp ist von wunderschönen gelben Sanddünen umgeben. Es wäre ein traumhafter Platz, wenn ich nicht gleich wieder als Privatbesitz betrachtet würde. Mohamed wich nicht von meiner Seite, teilte mir ein Zelt zu und zeigte mir die Umgebung. Dann brachte er mir einen kleinen Fenek. Er hatte den armen Wüstenfuchs gefangen und hielt ihn in einem Käfig, um ihn an Touristen zu verkaufen. Das Tierchen war voller Flöhe, aber sehr süß mit seinen großen Ohren und federleicht. Am Abend kochte Mohamed für das Personal, denn weitere Gäste waren nicht da, einen Topf Couscous. Ich bekam auch eine Portion, aber er brachte sie mir in mein Zelt, ich durfte nicht mit den anderen mitessen. Das machte mich misstrauisch. Als es Zeit zum Schlafengehen war, verrammelte ich mein Zelt mit einer Wolldecke, aber es war nicht notwendig. Kein Angestellter kann sich leisten, einer Touristin ohne deren Einverständnis etwas zu tun, er wäre sofort seinen Job los. Und bei der Arbeitslosigkeit in Tunesien ist es nicht leicht, etwas Neues zu finden.