Steckengeblieben im Salzsee

Am Morgen behielt ich noch das Zimmer und wollte einen schönen Tagesausflug machen. Zunächst ging es nach Tozeur, den Phosphatminenstädten Metlaoui und Moulares, dem wunderschön auf Felsen gelegenen Mides und zu den Wasserfällen von Tamerza. In Chebika erkundigte ich mich nach der Piste zurück nach Nefta. Aber niemand kannte sie. Schließlich fand ich eine breit angelegte Piste, die in die richtige Richtung führte.

Das erstemal wurde mir mulmig, als ich plötzlich mitten auf dem Chott Gharsa war und aus der breiten Piste nur einzelne Spuren wurden. Diese wurden immer spärlicher, und das Auto fuhr immer schlechter, da der Untergrund sehr weich war. Ich dachte an die Karl-May-Geschichten, wo Pferd und Reiter spurlos im Salzsee verschwanden und fürchtete schon, dort übernachten zu müssen, da die Sonne nicht mehr hoch stand.

Doch endlich war der Salzsee zu Ende, dafür aber auch die Spuren. Ich richtete mich nur noch nach dem Kompass, konnte sogar in der Ferne schon eine Oase erkennen. Aber wie viele Kilometer das in einer Wüste noch sind! Plötzlich vor mir ein Fluss. Das darf doch nicht wahr sein! Ich war schon ziemlich mit den Nerven fertig, stieg aus und betrachtete den Wasserlauf. Nicht höher als 20 cm das Wasser. Also durch! Nach zwei Metern stak ich dermaßen im Schlamm, dass das ganze Fahrwerk aufsaß, und die Sonne erfreute mich mit einem wunderschönen Untergang.

Ich räumte alles Gepäck aus dem Wagen, weil ich irgendwie das Gefühl hatte, dass der Wagen in der Nacht ganz versinkt. Und ohne Gepäck auch leichter ist. Dann ging ich erstmal in Richtung Oase, deren Lichter verführerisch vor mir glitzerten. Nach etwa einer Stunde blickte ich zurück. In der Richtung meines Autos sind doch Lichter! Hat da jemand meine Sachen gefunden? Ich hastete zurück, kam völlig fertig an und sah, dass die Lichter ferner als je zuvor waren. Man wird hier in der Entfernung sehr getäuscht.

Zum Glück hatte ich die gesamte Campingausrüstung samt Wasser und Datteln dabei, der Rest war im Hotel, wo man mich sicher vermisste. Also Zelt aufbauen und schlafen. Im Zelt kam der Schock erst so richtig über mich. Ich zitterte am ganzen Leib, konnte es nicht kontrollieren. Schlief nur wenig. Vor allem die Angst: Ist das Auto vielleicht am Morgen im Schlamm versunken? Wird es noch fahren können? Was wird das alles kosten?

Bevor noch die Sonne richtig aufgegangen war, machte ich mich erneut auf den Weg. Nach über einer Stunde Fußmarsch in Richtung Ort ein neuer Schreck: Sumpfgebiet. Wenn ich da in der Nacht hineingeraten wäre! Es muss mir wirklich mein Schutzengel die  Lichter zum Umkehren geschickt haben. Es war nicht leicht, aus diesem Labyrinth herauszufinden; wie habe ich mir in diesem Moment einen dieser sonst lästigen kleinen Jungen gewünscht, der mich für ein paar Münzen führt. Ich musste einen großen Umweg machen. Endlich eine Piste! Eine größere Freude hätte ich zu Hause mit Weihnachtspäckchen auch nicht haben können, heute ist ja der 23. Dezember. Und bald traf ich zwei Männer auf einem Traktor. Erst viel später ging mir auf, was für ein Glück das wirklich war. Als ich nämlich die vielen Kilometer, die der Ort noch entfernt war (es war El Hamma), selbst fahren konnte.

Ich stieg auf den Traktor und wir versuchten, den Wagen zu finden. Leicht ist das nicht in dieser unendlichen Weite. Aber wie den Wagen rausbekommen? Der Traktor war jenseits des Flusses und das Seil reichte nicht bis zu dem eingesunkenen Fahrzeug. Also suchten die Männer einen Platz zum Überqueren und blieben prompt ebenfalls stecken. Erneuter Fußmarsch, diesmal nicht von mir.

Nach über zwei Stunden kam der freundliche Mann mit einem Hilfstrupp von weiteren zwei Personen. Aber so ist der Traktor nicht herauszubekommen. Sie zogen wieder ab, und ich wartete mit einem der Tunesier auf neue Hilfe. Glaube, wenn ich heimkomme, habe ich erstmal die Nase voll von der Wüste.

Ich erlebte den zweiten wunderschönen Sonnenuntergang an dieser Stelle und wir warteten immer noch. Wie gut, dass ich wenigstens den richtigen Tee für die Leute dabei hatte. Nur mit meiner Kocherei sind sie nicht zufrieden und übernehmen das selbst. Wir tranken viele Kannen leer in dieser Nacht.

Da endlich tauchten in der Ferne die Lichter eines Autos auf. Es dauerte lange, bis es sich einen Weg durch die unwegsame Landschaft gekämpft hatte. Ein Vortrupp, der verkündete, dass bald ein zweiter Traktor eintreffe. Es hatte stundenlange Verhandlungen und 50 Dinar (über 100 DM) gekostet, den Besitzer zum Kommen zu überreden. Wir versuchten, den Anhänger des Traktors herauszuziehen, es klappte. Als wir aber auch den Traktor befreien wollten, riß das dicke Stahlseil. Also, ab in die Stadt und wieder warten. Nach zwei Stunden kamen sie mit einer schweren Kette (wieder 20 Dinar weg, das wird ja teuer). In diesem Moment betete ich wirklich darum, dass sie es schaffen. Und tatsächlich, der Traktor kommt aufs Trockene. Hamdullah! Die Tränen kommen vor Freude. Wenn die Kette den schweren Traktor geschafft hat, ist der ausgeräumte Suzuki ein Kinderspiel. Und genau 12 Stunden nach dem ersten Eintreffen der Hilfe können wir uns auf den Heimweg machen. Inzwischen hat sich schon eine Piste zu der Unglücksstelle gebildet.

Ich muss natürlich mit zur Familie, dort essen und die Nacht verbringen. Und nun will ich bezahlen. Da kommts: Sie wollen zwar das Geld, das sie ausgelegt haben, aber für sich keinen Pfennig! Im Gegenteil, ich werde noch reichlich mit Datteln bedacht. Da hilft auch kein Überreden. Für 12 Stunden Arbeit, vier Mann, die einen Arbeitstag versäumt haben, und einen Riesenstapel verschlammter Wäsche. In meinem Kleidervorrat finde ich noch einige schöne Kleidungsstücke für die Familie und auch mein Zelt schenke ich ihnen. Am Heiligabend war ich dann wieder in meinem Hotel in Nefta, wo mich kein Mensch vermisst hatte.

Rauswurf aus dem Hotel

Ich war schon einige Zeit in Tunesien unterwegs und es war nie schwierig gewesen, ein Hotelzimmer zu finden. Es ist meist in jeder Preisklasse etwas zu haben, die Hotels sind hübsch, preiswert und sauber und jetzt, Mitte Dezember, nicht ausgebucht. Doch das änderte sich schlagartig, als Weihnachten näher kam. Am Morgen des ersten Weihnachtstages war unter der Tür meines Hotelzimmers in Nefta ein Zettel durchgeschoben: Hotel ist komplett! Das ist ein Rausschmiss. Zudem war das Wetter schlecht, sehr windig, also packte ich meine Sachen und zog weiter. Wohin wusste ich noch nicht, aber schließlich landete ich auf Djerba, im Hotel Marhaba in Houmt Souk, das mir schon in Matmata empfohlen worden war. Das Abendessen musste ich mal wieder in Gesellschaft einnehmen.