Mit der Habib ab Genua
In Genua auf dem großen Warteplatz vor der Fähre nach Tunesien herrschte schon richtig orientalisches Leben. Die Wagen, die bereits seit dem Morgen in Schlangen aufgereiht darauf warteten, dass sie endlich Platz in dem großen Bauch des Schiffes finden, waren bis zum Äußersten bepackt. Viele tunesische Gastarbeiter nutzten die europäischen Feiertage über Weihnachten und Neujahr, um ihre Familien wiederzusehen. Da sind nicht nur Koffer und Kisten aufgeladen, es gibt vom Fernseher über Teppiche bis zur Waschmaschine wirklich alles, die Geschäfte müssen leer gekauft worden sein. Doch neben den Pkws der Gastarbeiterfamilien findet man auch die abenteuerlichsten Geländefahrzeuge. Ein knallroter Wagen findet die Bewunderung der Wartenden, er ist selbst gebaut, sieht toll aus, aber ob er auch den Anforderungen, die eine Sahara-Fahrt an ein Fahrzeug stellt, gerecht wird, bleibt anzuwarten. Die Fahrer der Geländewagen gingen von Wagen zu Wagen, fachsimpelten mit ihren Gesinnungsgenossen, Fahrtrouten wurden ausgetauscht und die ersten Reisebekanntschaften geschlossen.
Als ich in Genua ankam, musste ich zunächst mein Schiffsticket abstempeln lassen. Vor den Schaltern herrschte ein heilloses Durcheinander. Ich wurde von einem zum anderen geschickt, schließlich landete ich vor einem kleinen Fenster, vor dem sich sicher Hundert andere schon drängten. Aber ich hatte ja Zeit, vor dem Abend fuhr das Schiff sowieso nicht los, und ich kam schon gleich mit meinen Leidensgenossen ins Gespräch, manch einen wird man später sogar wiedertreffen.
Endlich ging es los! Zäh setzten sich die Fahrzeugkolonnen in Bewegung, nacheinander frisst dieses Ungeheuer all die Wagen in sich hinein. Nun musste ich meine Kabine suchen, ich teilte sie noch mit drei weiteren Personen, ein junges Paar aus Österreich und Hans aus dem Ruhrgebiet. Er hat einen tunesischen Kollegen, der ihm soviel von seinem Land erzählt hat, dass er sich spontan in seinen Wagen gesetzt hat, um seinen Urlaub dort zu verbringen. Die Kabinen waren nicht zu verschließen, es gab keine Bettwäsche und die Waschräume waren nach kurzer Fahrt völlig verdreckt. Aber ich hatte ja nur Touristenklasse gebucht, da kann ich keinen Komfort erwarten. In der Cafeteria traf ich Barbara und Peter, die ich schon in der Schlacht vor dem Schalter kennen gelernt hatte. Die beiden wollen ein Buch über Tunesien schreiben und nutzten diesen Urlaub, um noch die letzten Einzelheiten vor Ort zu recherchieren. Bei Kaffee und Erzählen verging die Zeit und wir gingen schlafen. Hans schnarchte fürchterlich, aber wenn wir ihn baten, sich doch lieber auf die Seite zu legen, tat er das sehr hilfsbereit.
Am Morgen waren wir leider immer noch auf hoher See, die Vorfreude war kaum noch zu bremsen. Die Geländewagenfahrer hatten sich zusammen gefunden, die Motorradfahrer auch und jeder freute sich auf die Abenteuer, die ihm bevorstanden. Wir mussten bis zum Nachmittag warten, bis die „Habib“ endlich in den Hafen La Goulette bei Tunis eingelaufen war. Die Familien der Gastarbeiter standen am Kai und winkten, aber die Polizei- und Zollabfertigung wartete auch schon auf uns. Das Ausladen der Fahrzeuge dauerte endlos, sofort bildeten sich wieder die bekannten Schlangen vor der Zollabfertigung. Die vollbeladenen Wagen der Tunesier mussten völlig ausgeräumt werden, bis ich endlich durch die Abfertigung kam, war es Abend.
Ich verließ Tunis auf dem schnellsten Wege und fuhr ins 60 Kilometer entfernte Nabeul, das ich schon von einem früheren Urlaub her kannte. Damals kam ich über ein Reisebüro in dieses als Club geführte Hotel und fühlte mich sehr wohl; ich hatte mich vorher schon telefonisch erkundigt, ob das Hotel geöffnet hat. Es hatte, aber ich war der einzige Gast. Für die eine Nacht hatte ich einen Bungalow für mich, in dem großen Restaurant servierte man mir ein Menü mit fünf Gängen und alle waren sehr nett zu mir. Nach dieser wirklich anstrengenden Anreise konnte ich mich hier erst mal erholen, bevor dann am nächsten Morgen endlich das Abenteuer anfangen konnte.
Autopanne vor Kairouan
Von Nabeul aus sollte es geradewegs in den Süden gehen. Am Straßenrand sind Verkaufsstände mit Orangen, sie sind herrlich süß und sehr billig. Kurz vor Kairuan, der berühmten „heiligen“ Stadt und Teppichmetropole, stand ein Fahrzeug mit geöffneter Kühlerhaube am Straßenrand. Einige Männer standen um den Wagen, einer winkte mir, stehen zu bleiben: „Wir haben eine Panne, können Sie mich bitte mit in die Stadt nehmen?“ Aber klar, obwohl ich schon weiß, was er wirklich will, nahm ich ihn mit. Auf der Fahrt fragte er mich dann, ob ich Kairuan besichtigen wollte. Ich sagte ihm, dass ich ohne Aufenthalt weiter in den Süden fahre. „Aber man muss Kairuan doch gesehen haben, ich kann es Ihnen gerne zeigen,“ meint der junge Mann. „Nein danke, ich war schon mehrmals dort,“ entgegnete ich. „Aber meine Schwester heiratet, ich lade Sie zur Hochzeit ein, kommen Sie doch mit mir!“ Als ich ihm nochmals versicherte, dass ich keinesfalls in Kairuan bleiben will, ist die Autopanne vergessen, und er will auf freier Strecke aussteigen, sicher wird er bessere Opfer finden, denen er seine Teppiche verkauft.
Weiter ging es auf einer sehr guten Straße durch einsame Landschaft. Nur hier und da mal ein Café mit Erfrischungen, kaum eine Ortschaft. Dann sah ich am Straßenrand Holzkohlenmeiler. Ich hielt an und sah den Männern bei der Arbeit zu. Holzkohle wird im Süden noch sehr viel verwendet, in den Dörfern wird sie zum Kochen benutzt und jetzt im Winter auch zum Heizen. Man füllt kleine Tonbecken mit glühender Kohle, dicht gedrängt sitzt dann die Familie im Kreis um das Becken und wärmt sich.