6.4. Anti-Atlas

Ach, was war das heute für ein schöner Tag! Nicht nur das Wetter war herrlich. Die letzten Tage hatte es ja schauerweise geregnet und besonders der gestrige Abend war nicht so gemütlich. Ich war in ziemlich nassem und kalten Wetter in einem winzigen Hotel bei den Kaskaden von Imouzzer gestrandet. Angeblich mit klimatisierten Zimmer und heißer Dusche. Beides zwar theoretisch möglich, aber praktisch gibt man weder die Fernbedienung für die Klimaanlage noch stellt man den Gasboiler an. Ich wollte mich auch nicht beschweren, hatte eh keine Lust, in dieser Kälte zu duschen.
Doch nachdem ich heute Morgen diese kalten Berge überquert und Agadir flott auf einer Umgehungsstraße passiert hatte wollte ich nach Jahren mal wieder die Route von Ait Baha über Tanalt nach Tafraoute fahren. Ich hatte sie damals schon als eine wunderbare Straße empfunden, aber heute war sie eher noch schöner. Auch wegen der unglaublichen Artenvielfalt an Blumen, die am Wegesrand blühten. Nach den zahlreichen Regenfällen der letzten Wochen war dies gerade der Moment, wo die Blümlein sprießen. Und das in wirklich allen Farben. Der dunkelblaue Thymian strömte dann noch einen kräftigen Duft aus. Ich brauchte endlos für die Strecke, musste dauernd anhalten und fotografieren. Wie tun mir da wieder die armen Touristen leid, die mich manchmal anschreiben, weil sie eine Wüstentour buchen wollen. Einmal Marrakech – Wüste und zurück am liebsten in einem Tag. Sie vergessen ganz, oder können sich einfach nicht vorstellen, dass in Marokko der Weg das Ziel ist, dass es nicht gilt, Ausgangs- und Endpunkt zu besichtigen, sondern die ganze aufregende Landschaft dazwischen.
Zum Glück war kaum Verkehr und ich konnte anhalten, wo immer ich wollte, um Fotos zu machen. Nur ab und zu traf ich lokale Fahrzeuge, Touristen waren absolut nicht zu sehen. Aber dafür Berge, bizarre Felsen, Frauen, die Wäsche wuschen und zum Trocknen auf die grün ausschlagenden Büsche hängten. Alle paar Minuten kam ein anderer atemberaubender Ausblick. Auf dem Rand eines gemauerten Brunnens gönnte ich mir ein Picknick, es gab nur den berühmten La vache qui rit und ein ganz leckeres Brot, das ich in Ait Baha erstanden hatte und das eine regionale Spezialität ist. Der Blick ging direkt auf einen Agadir auf einer Bergspitze und in ein weites, grünes Bergtal. Der Verlauf meines Sträßchens war in engen Serpentinen zu sehen. Auf dieser Route darf man gewiss nicht anfällig sein für Schwindelgefühle, die enge Straße geht ohne Leitplanke scharf am Abgrund entlang. Aber der Ausblick entschädigt für alles.