Mittwoch: Legacy Trail

Heute ist Regen vorhergesagt. Gleichzeitig möchte ich den längsten Trail fahren. Mal sehen, vielleicht starte ich einfach mal. Habe keine Regenklamotten, ich nehme immer viel zu wenig mit. Aber selbst, wenn ich völlig durchnässt werde, heute ist es etwas 22 Grad warm, das geht schon.

Es ist ziemlicher Sturm. Aber ich setze mein eBike dagegen und es geht recht gut. Von meiner Unterkunft aus sind es 20 Meilen und die muss ich auch wieder zurück. Der Legacy Trail von Venice nach Sarasota wurde auf dem Gleisbett einer eingestellten Eisenbahnlinie gebaut, das kommt hier in Florida ziemlich oft vor, und deshalb geht es schnurgerade durch die Landschaft. Es sind zwar einige Kreuzungen zu überqueren, aber die haben alle einen Knopf, der entweder mit Lichtern warnt oder sogar eine Ampel auslöst. Und die richtig großen Highways haben eine Brücke, Overpass genannt. Zwei davon sind allerdings noch im Bau.

Pinecraft

Je näher ich an Sarasota heran komme desto erstaunter werde ich über die Fahrradfahrer. Das ist nicht so, wie man’s kennt, knappe Bikerhose, buntes Shirt und Helm. Nein, dies hier sind alte Männer mit langen grauen Bärten und ihre Frauen haben lange Röcke und ein Häubchen an, mit den Röcken möchte ich ja nicht in die Pedale treten. Vielleicht deshalb haben auch sehr viele ein sogenanntes Senioren-Tricycle, mit einem Korb hinten drauf. Es sind so viele, man sieht kaum noch normale Biker, dass ich zuhause sofort mal Mr. Google fragen muss. Und tatsächlich, er gibt mir erschöpfende Auskunft.

Innerhalb der Stadtgrenzen von Sarasota liegt Pinecraft, ein kleines Arbeiterviertel, das einige der einzigartigsten und speziellsten „Snowbirds“ der Region anzieht – Mitglieder von Amish- und Mennoniten-Orden, die in das Winterparadies strömen, um dem rauen Wetter in den nördlichen Staaten zu entfliehen. Sie wissen, dass Sie in Pinecraft sind, wenn Sie auf eine große Anzahl von Männern und Frauen treffen, die in traditioneller Plain-Kleidung und Gebetsmänteln gekleidet sind und oft auf großrädrigen Dreirädern für Erwachsene mit großen Körben auf dem Rücken fahren – ein Ersatz für den Transport mit Pferden und Buggys, der auf den Straßen der Stadt nicht erlaubt ist.

Der Sturm bläst weiterhin kräftig, aber die Wolken sind nicht allzu sehr dunkel. Ich will es unbedingt bis zu meinem Ziel schaffen, nicht vorher umkehren, denn nur dann ist der Job für mein Buch ja gemacht, und wenn ich danach pitschenass bin, dann solls halt so sein. Oder ich finde eine geeignete Unterstellmöglichkeit.

Und tatsächlich. Ich erreiche das Ziel genau nach 20 Meilen und immer noch trocken. Als ich umdrehte hat es mich fast vom Rad geweht. Erst jetzt merke ich, dass ich eigentlich Rückenwind hatte, was ich aber nicht so richtig gespürt habe. Doch jetzt volle Kanne in mich hinein.

Five-O Donuts

Doch was ist das an der Endstation? Ein Donutladen. So etwas habe ich tatsächlich noch nicht besucht, aber genau das tue ich mir jetzt an. Oh wie toll die aussehen, diese Reise ist ja eine einzige Fresserei.

Dann aber los. Noch immer regnet es nicht, wie schön. Das eBike eine Stufe höher schalten gegen den Sturm, der nun von vorne kommt. Und tatsächlich erreiche ich die Historische Bahnstation noch in trockenem Zustand und der Wagen des Zirkusses Ringling Brothers ist tatsächlich noch geöffnet. Es war der Wagen des berühmten Raubtierdompteurs Gunther Gebel-Williams und man kann sogar noch seine Cowboy Boots sehen.

Ich erreiche mein Heim, stelle das Rad in die Garage, und schon platscht es los. Gerade nochmal Glück gehabt.