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Reisebericht

Sarhro Piste – von Boumalne nach Nekob

Das Wahrzeichen von Nekob und dem Sarhro Gebirge ist der Doppelgipfel Bab n’Ali. Den kenne ich natürlich schon lange, bin ich doch die schwierige, steinige Bergpiste unzählige Male gefahren, wahlweise ab Boumalne oder ab Tinerhir. Noch in meiner Ausgabe 2011 des Reisehandbuch Marokko schrieb ich:

Sehr steinige Bergpiste, nur für Geländefahrzeuge. Kaum Mobilfunkempfang

Nördlich von Nekob ist der Djebel Sarhro mit dem bizarren Doppelgipfel Bab n’Ali in einer faszinierenden Bergwelt. Die Anfahrt dorthin ist aber nur für Geländewagen möglich. Es handelt sich nur um insgesamt 86 km mit 71 km Piste, aber die sind haarig. Die Strecke könnte in umgekehrter Richtung einfacher zu fahren sein, da die schlimmste Strecke die 16 km Anstieg sind, der Abstieg ist besser. Die Aussicht ist einfach grandios, aber der Fahrer hat wenig Zeit, dies zu genießen. Die Mitfahrer sollten schüttelerprobt und schwindelfrei sein.

Hier ein Foto von 2007

Wie staunte ich als ich 2013 auf einmal eine Asphaltstraße vorfand. Und heute ist die Strecke nicht nur sehr beliebt bei allen Rundreise-Chauffeuren, sondern in den beiden Auberges am Gipfel gibt es sogar Internet. Viele Touren halten hier an den beiden Herbergen, was den Familien zu einem bescheidenen Einkommen verholfen hat.

Marrakechtours.de

Ich reise gerne durch Marokko, seit 37 Jahren, ich schreibe Reiseführer über Marokko vor allem für Selbstfahrer und Camper, aber was viele nicht wissen, ich organisiere auch kleine feine Rundreisen. Die Kunden buchen sich den Flug selbst, wenden sich dann an mich und ich stelle ihnen eine genau auf sie zugeschnittene Reise zusammen. Meist geht es mit dem Flieger nach Marrakech, dort werden sie am Airport abgeholt und in ein schönes Riad inmitten der Medina gefahren. Nach 1, 2 Tagen steht dann morgens ein Fahrer mit Geländewagen vor der Tür und auf geht’s ins Abenteuer. Es gibt hier keine Standardtour und vor allem keine Mitreisenden, der Fahrer ist zugleich Führer und meist entwickelt sich ein richtig schönes, freundschaftliches Verhältnis. Und wenn ich zeitgleich im Land bin, so organisiere ich es auch meist, dass wir uns treffen.

Infos hier: www.marrakechtours.de

So war das auch in diesem Fall. Die beiden Damen sind aus Skoura angereist, über das Rosental in die Dadesschlucht und dort habe ich sie dann zum Mittagessen getroffen. Dann haben wir uns getrennt, aber nur, um uns in Nekob wieder zu treffen.

Nekob: Kasbah Berber Nomad

In Nekob wohnten wir in der Kasbah Berber Nomad. Eine lokal ansässige Familie hat dieses Gästehaus vor wenigen Jahren erbaut, mit tatkräftiger Unterstützung der Deutschen Ingi Gaide. Schon vorher allerdings hat Mohamed Rachyd Trekkingtouren durch das faszinierende Sarhro-Gebirge geleitet. Die wenigen Zimmer sind zwar klein, aber mit sehr viel Liebe eingerichtet und verfügen über ein Dusch-Bad und Klimaanlage. Sowohl Mohamed als auch Ingi waren mit Kunden unterwegs, deshalb empfing uns Bruder Ahmed sehr nett mit Tee. Ich hatte für uns drei Damen eine Flasche Sekt kalt gestellt, davor hatten die Beiden sogar noch einen Martini auf der Terrasse beigesteuert, es ging uns also richtig gut, so gut, dass wir nach dem Abendessen alle ins Bett fielen. Marokko ist so wunderschön und vielseitig, es gibt immer etwas Neues zu sehen und zu erleben, so dass man abends vollkommen erschöpft ins Bett fällt.

 

Tamtattouchte

Weiter ging es nach Tamtattouchte, dieses Dorf mit 5 Ts liegt hoch über der Todraschlucht und hat noch mehr Auberges mit angeschlossenem Camping. Jede musste ich bei strömendem Regen besuchen und jede hatte irgendetwas zu bieten. Freundlichkeit immer, bei Amazigh dazu noch ein köstliches Mittagessen. Man gab mir eine Decke zum Einkuscheln, zündete den Ofen an und ich fühlte mich richtig wohl. Lud mich sogar zum Bleiben ein, aber ich wollte noch einige andere Herbergen besuchen. Arbeit geht vor.

In der Auberge Baddou blieb ich dann aber doch, am Ende von Tamtattouchte, oder am Anfang, wenn man von unten kommt. Es ist die größte und am besten ausgestattete, deshalb dachte ich hier bin ich richtig. Aber ich glaube tatsächlich Amazigh wäre besser gewesen. Das Klimagerät in meinem Zimmer heizte nicht richtig und ich holte mir meine Kuscheldecke aus dem Auto. Das Besondere beim Abendessen war dann das Dessert, ein richtiger Künstler hatte hier ein kleines Meisterwerk einer Obstskulptur vollbracht.

Todra-Staudamm

Früher habe ich ja immer in der Kasbah Les Amis gewohnt. Der Inhaber Mohammed spricht sehr gut Deutsch, die Herberge war gemütlich und hatte auch einen Campingplatz. Aber diese sowie das daneben liegende Hotel Essalam, 140 Wohnhäuser, eine Moschee und ein altes Marabut sind dem neuen Staudamm zum Opfer gefallen. Ich verstehe ja den Wasserbedarf, dennoch war eigentlich abzusehen, dass dieses Projekt außer Zerstörung nicht viel bringen wird. Der spärliche Todra kann den Stausee nicht füllen, man setzt auf Regen und Schmelzwasser, aber bisher gibt es nur ein kleines Rinnsal am Boden. Diese Geschichte hat Mohammed das Herz gebrochen, denn seine Auberge war mit viel Geld und Liebe sein Lebenswerk und nun ist alles weg und er bekommt keine Entschädigung. Beziehungsweise eine sehr geringe, die nur einen Schuppen berücksichtigt und kein ganzes Hotel.

Doch ist er mit diesem Kummer nicht allein. Den Bewohnern der anderen 140 Häuser hat man zwar ein Stück Land zugeteilt, Strom und Wasser verlegt, aber kaum Geld zum Bau eines Hauses gegeben. So gibt es noch immer keine neuen Wohnungen für die Menschen, nur eine große Moschee wurde gebaut. Das ist ja wichtig, so können sie zumindest zu Allah beten und um Wohnungen bitten. Das Ganze ist vor Gericht, was noch Jahre dauern kann.

Die neue Moschee plus Grundstücke

Amellago

Von Errachidia fuhr ich weiter in den Hohen Atlas, Amellago war mein Ziel für die Nacht. In den Bergen gibt es nicht so viele Unterkünfte, deshalb muss man sich sein Ziel danach aussuchen und Amellago ist ein wunderbares Ziel. Dort steht die gleichnamige Auberge, die ich bereits früher kennengelernt hatte und Ali empfing mich mit einem freundlichen Lächeln und einer Tajine. Und auch das Frühstück am nächsten Morgen war sehr gut, ich bin immer happy, wenn ich ein leckeres Omelette bekomme. Den Campern wird übrigens frisches Crêpe ans Mobil gebracht.

Tagounsta Tunnel

Ali hatte mir von dem Tagounsta Tunnel erzählt. Von der Auberge aus kann man eine schöne Rundfahrt dorthin machen, etwa 80 km. Ich entschied mich, den Tunnel anzuschauen, aber mit Weiterfahrt nach Tamtattouchte. Es handelt sich um einen Spiraltunnel, was immer das ist. Ich habe die Erklärung dazu im Internet gelesen, aber verstehe es trotz meinem Besuch dort immer noch nicht. Er soll im Tunnel die Richtung wechseln und oberhalb sich selbst wieder rauskommen? Für mich war es nur ein kleiner, in den Stein gehauener Tunnel, 1933 von der französischen Fremdenlegion gebaut zur besseren Bekämpfung der wilden Berberstämme. Heute als Baudenkmal wiederentdeckt und die Piste dorthin wurde ausgebessert.

Inzwischen war es eiskalt geworden, mein Thermometer zeigte 4 Grad, es regnete und die Tropfen kamen sogar als Schnee. Es blieb nicht auf dem Boden liegen, aber die Berggipfel um mich herum waren alle weiß. In Merzouga hatten wir noch 40 Grad und jetzt so etwas. Ich muss mir erst die warmen Sachen aus der Wintertasche hervorholen. Allerdings meldet Merzouga zeitgleich einen heftigen Sandsturm.

Das Tal des Ziz

Es half alles nichts, ich musste von Merzouga Abschied nehmen. Muss ja schließlich über das ganze Land berichten und darf keinen Führer Erg Chebbi – Merzouga schreiben. Schade eigentlich. So ging es also zunächst nach Erfoud und weiter nach Errachidia, auf dem Weg habe ich natürlich an jedem möglichen Campingplatz angehalten. Wenn ich jedesmal den Tee annehmen wurde, ich würde ja nur noch aus Tee bestehen.

Auf dem Weg kam ich an zwei Naturereignissen vorbei, die beide nicht schön sind. Vor zwei Jahren gab es ein großes Feuer, das den Palmenhain über gut 5 km Länge abgebrannt hat. Die hohen Palmen überleben so etwas, die Stämme sind schwarz, aber die Palmzweige kommen neu. Aber alles darunter ist verbrannt. Es gab dort viele Obstbäume und Oliven, alles weg. Das Feuer war im August, also war die Ernte des Jahres damit vernichtet. Auch im folgenden Jahr gab es kaum Datteln, in diesem könnten sich die Bäume erholt haben, aber da beginnt das nächste Problem, der gravierende Wassermangel.

Und der ist am besten an der Blauen Quelle von Meski zu sehen, die vollkommen ausgetrocknet ist. Wie gerne war ich immer dort, auch auf meiner ersten Reise 1986. Das Foto auf dem Titel meines aktuellen Campingführers stammt von 2016, aber seit 1, 2 Jahren sieht es nun so aus.

 

Die Gründe liegen natürlich zunächst mal im mangelnden Regen, der sich echt rar macht in diesen Regionen. Aber auch sonst wurden im Land heftige Fehler gemacht. Es wurde Jedem stolze Subventionen gezahlt und ein Stück Land gegeben. Dort musste dann eine Pumpe installiert werden, die Wasser aus großer Tiefe holt und zusätzlich ein Wasserbecken zur Bevorratung. So wurden bei Boudenib riesige Palmenplantagen in die Wüste gesetzt und bei Zagora ebenso riesige Melonenplantagen. Und in wenigen Jahren hat sich dadurch der Wasserspiegel dramatisch abgesenkt, eine Tatsache, die Experten schon vorher klar war. Ein weiteres Problem ist das große Solarwerk bei Ouarzazate, das zur Kühlung Unmengen von Wasser verbraucht. Der Stausee ist fast leer und die südliche Region Zagora – Mhamid bekommt kaum noch Wasser, die Palmenhaine dort sterben.

Arrangierte Ehe

Gerade im ländlichen Bereich wie hier in Merzouga sind arrangierte Ehen immer noch häufig, wenn auch kein Muss. Wenn junge Menschen in die Städte gehen, um dort zu studieren, kommt es vor, dass sie sich dort verlieben und auch heiraten. Aber Youssef erzählt uns, dass er trotzdem hinter dem System steht, er findet es gut. Die Eltern hätten oft den besseren Überblick wer zu einem passt und gerade Liebesheiraten hätten eine höhere Scheidungsrate.

Youssef erzählt uns seine eigene Geschichte. Er studierte, ich glaube in Meknes, hat dort kein Mädchen kennengelernt, das ihm gefiel. Als er zurück kam meinte seine Mutter, es wäre Zeit zu heiraten und es gäbe da drei junge hübsche Mädchen, die in Frage kämen. Muss dazu sagen, Youssef ist ebenfalls ein hübscher Kerl, gescheit und energiereich dazu, ich würde ihn nehmen, wenn ich ein junges Mädchen wäre. Er entschied sich zunächst für die, deren Eltern bei ihm den höchsten Respekt genossen. Nun würde da ein formeller Besuch vereinbart werden, er mit seinen Eltern erscheinen. Aber das ist nichts für Youssef. Er setzte sich auf sein Moped und fuhr direkt zu dem Haus. Alle Familienmitglieder standen zufällig davor. Er stoppte in wilder Jagd und fragte, wer denn Sara sei. Die ganze Familie johlte und lachte, das Mädchen verging sich in Scham. Das war sein erstes Zusammentreffen mit ihr, aber offensichtlich so erfolgreich, dass er sich die anderen Mädchen nicht mehr anschaute. Sie tauschten Telefonnummern aus, sprachen wohl viel zusammen und schließlich kam die Hochzeit. Heute hat er einen Jungen und ein Mädchen und scheint richtig glücklich.

Nur mal so am Rande, ich habe aus Liebe geheiratet, einen Mann, von dem meine Eltern meinten, er passe nicht zu mir. Ich bin geschieden. Hier Fotos von einer Hochzeitsfeier im Dratal.

Desert Villa

Als ich mit Mohammed die südliche Piste fuhr kamen wir auch nach Ramlia. Dort ist die Auberge Aghbalou, sie liegt sehr dominant am Hügel über Ramlia.. Das erstemal war ich 2008 dort und traf Himmi an, der das ganze aufgebaut hatte, und lernte auch seinen Bruder Mohammed kennen, der in Rissani Lehrer ist. Himmi wanderte später nach USA aus. 2011 war ich dann nochmal dort, aber nur zum Essen. Und 2018 traf ich niemanden an.

Auch in diesem Jahr wollte ich natürlich wissen, wie der Stand der Sache ist, aber mein Fahrer Mohammed sagte mir, die Auberge sei geschlossen. Dafür aber hätte die Familie nun ein Hotel in Merzouga, das von Bruder Youssef geführt wird. Neue Hotels schießen in Merzouga jedes Jahr wie Pilze aus dem Boden, ich habe lange aufgegeben, sie zu besuchen und mein Buch hätte 1000 Seiten, wenn ich sie alle aufführen wollte. Aber natürlich stand die Desert Villa auf meiner Liste, kenne ich doch die Familie.

Youssef, den Geschäftsführer, hatte ich noch nicht kennengelernt, nur eben zwei seiner Brüder. Fünf sind es ingesamt, plus vier Mädchen. Aber der Empfang war herzlich. Doch nicht nur von mir, es kamen noch andere Gäste, und ich denke, das ist gerade das Besondere an diesem Haus mit zehn Zimmern, der herzliche Empfang. Und die Kleinigkeiten. Das Haus liegt am Ortsrand von Merzouga, die goldgelben Dünen ragen gleich dahinter auf. Hinter dem Haus ist ein von einer Mauer umgebener Pool, zwar kein Blick in die Weite, dafür aber besser geschützt bei Sandsturm. Nach Ankunft gibt es nicht nur den üblichen Tee, sondern auf Wunsch ein sehr erfrischendes Mineralwasser mit Zitrone und Minze, das ist doch mal eine nette Idee. Die Zimmer haben jeweils ein sehr bequemes Bett, einen Schreibtisch, wichtig für mich, dazu gutes Internet und sogar einen Smart-TV, wo man sich z.B. in seinen Netflix Account einloggen und die Zeit vertreiben kann. Obwohl es ja gerade in Merzouga immer was zu tun gibt und Regentage selten sind. Dazu hat jedes Zimmer einen kleinen Kühlschrank, einen Safe und ganz viele Steckdosen.

Eine weitere Besonderheit ist das Essen, es ist sehr lecker und wer die Nase voll hat von Tajine, Brochette, Couscous kann auch köstliche Gourmet-Gerichte bekommen. Im Restaurant saß ich zwar allein am Tisch, aber der Nachbartisch war gleich daneben und ich geriet in ein sehr nettes Gespräch. So etwas ist wichtig für Alleinreisende. Heute ist ein Paar angekommen mit einem großen Gelände-LKW aus England, die Dame hat morgen Geburtstag, und da wollten sie sich mal schön hier zwei Tage einquartieren, weil sie auch von dem guten Essen gehört hatten. Ich habe sie schon bei der Reservierung getroffen und es wird sicher wieder ein toller Abend. Habe einen richtig guten Wein kühl gestellt, dieser Abend ist es wert.

Tajine

Eine andere Sache, die ich vermisse gegenüber früher, ist das Essen mit Freunden. Früher kam ich irgendwo an, die Familie saß beim Essen, ich wurde dazu gebeten, wir saßen alle im Kreis um die Schüssel, das Brot in der linken Hand, mit der rechten brach man davon ein Stück ab und tunkte damit die Tajine-Soße auf, nahm ein paar Gemüsestücke. Am Ende verteilte der Hausherr gerecht das Fleisch an alle Personen. Mir hat es vor allem deshalb gefallen, weil nicht so auffiel, wie viel ich esse, ich konnte langsam machen, nur kleine Häppchen nehmen und fühlte mich gut. Das ist heute absolut vorbei. Teils liegt es daran, dass ich nicht mehr so viel in Familien komme, dass ich meist die Hotels und Campingplätze besuche und wenn man mich dort zum Essen einlädt, dann bekomme ich ein richtiges Menü, marokkanischer Salat, Tajine in kleiner Schale nur für mich, Obst zum Nachtisch. Und das schlimmste, das Tajine muss mit Löffel auf einen Teller gehäuft werden, der ganze Geschmack ist hin. Der entsteht nur, wenn man direkt aus der Schale isst, in der es gekocht wurde.

Gestern habe ich eine Tour mit Mohammed gemacht. Er stammt aus Taouz, wohnt dort in einem kleinen Haus, ich war früher schon dort. Nun ist er wegen dem Schulbesuch der Kinder nach Merzouga gezogen, hat sich dort ein Haus gebaut, wie er stolz erzählt, aber ohne Strom und fließend Wasser. Das sei zu teuer. Auf dem Rückweg lud er mich ein, das Haus zu sehen. Ich lehnte ab. Weiß ja, wie es läuft. Es gibt Tee, seine Frau kocht etwas für mich und das wäre dann tatsächlich so, wie ich es ja vermisse. Aber ich möchte ihm nicht zur Last fallen und sage, nein, ich bin müde und möchte lieber ins Hotel. Tatsache ist aber, dass ich Hunger habe, ich sage es aber nicht. Denn ich hatte ja für 18 Uhr mein Abendessen bestellt und es ist schon 2.

Im Hotel angekommen verziehe ich mich erst einmal aufs Zimmer zum Erfrischen. Wieder unten ist Mohammed noch da und auch Youssef, der Hotelinhaber. Mohammed fragt, ob ich Hunger habe. Nein. Er meint, er aber schon, er wird in der Küche was essen. Da bricht es aus mir heraus, dass ich auch gerne mitessen möchte, ich mag das nicht immer allein zu essen, esse lieber mit allen zusammen. Okay, dann essen wir zusammen. Ich freue mich auf die große Schale, wasche schon mal meine Hände.

Doch es kommt anders als man denkt. Im Restaurant wurde ein Tisch wunderschön für uns beide gedeckt, mit Besteck und Teller. Und es kommt ein wirklich schönes Tajine, dazu ein Löffel und natürlich muss jeder seinen Teil auf seinen Teller häufen. Ach ja …

Es ist schon seltsam, mit dem doch recht einfachen Mohammed am festlich gedeckten Tisch zu sitzen. Er ist nomadischer Herkunft, ich habe vor Jahren seinen Vater kennengelernt, als wir auf eine Pistenfahrt aufbrachen, belud er meinen Wagen mit Mehlsäcken und dergleichen und irgendwo im Nirgendwo stand da der alte Mann alleine und wartete auf uns, sein Zelt hinter dem Berg versteckt. Ich fragte übrigens, ob er noch immer in der Wüste lebt. Nein, er ist nun völlig blind und musste ins Dorf ziehen. Mohammed hat nie die Schule besucht, kann nicht lesen oder schreiben, aber hat durch die Touristen Französisch gelernt und nun auch Englisch.

Google-Reisen

Nicht nur Merzouga hat sich verändert, vor allem die Reisenden haben sich verändert. Früher kamen nur einzelne, abenteuerlustige mit ein wenig Zeit. Wir sind gereist, um ein Land kennen zu lernen, um etwas über die Menschen zu lernen, zu sehen wie sie leben, um uns mit ihnen anzufreunden. Oft haben wir genauso gelebt wie sie, nicht selten wurde ich von einer Familie eingeladen zur Übernachtung, habe mit allen anderen auf dem Boden geschlafen, zuvor im Salon auf dem Teppich gesessen und ein Tajine mit ihnen aus der gleichen Schale gegessen.

Das ist heute vollkommen  anders geworden, heute regiert die Google-Welt. Man klickt sich eine Route in Minuten zusammen, findet entsprechende Übernachtungsmöglichkeiten in booking.com, das geht auch fürs Wüstenbiwak, einen Reiseführer braucht man nicht mehr. Den müsste man ja lesen. Das ist zu viel verlangt von den heutigen Reisenden, dafür hat niemand Zeit. Eine Woche Marokko, man findet die Highlights in Google, Kamel reiten, Sonnenuntergang auf der Düne, Tee bei den Nomaden, das ist das Event. Und auf zum nächsten Land.

Über das Land wissen diese Reisenden überhaupt nichts. Haben kein Hintergrundwissen, kennen nicht die Traditionen, wissen auch nicht, was es rechts und links von google maps noch zu sehen gibt. Oder es passieren solche Dinge: Ein Anwohner in Merzouga hat vor seinem Haus privat einen Brunnen gebaut für seine Nachbarn, die oft noch kein fließend Wasser im Haus haben. Damit sie nicht so weit laufen müssen. Er wohnt nicht zentral, etwas abgelegen, doch dann kommt ein Hippie-LKW und bunkert Wasser im großen Stil. Wasser, das rar ist. Von seinem privaten Brunnen. Warum? Weil irgendeiner diesen Brunnen in google eingetragen hat und nun jeder kommt.

Meine Bücher waren noch anders. Ich habe viel über das Land und seine Bewohner geschrieben, habe auch erklärt, wie man sich z.B. verhält, wenn man in ein Haus eingeladen wird. Aber tatsächlich gehören meine Leser heute alle einem höheren Alter an, einer anderen Zeit.

Erg Chebbi

Ich kenne den Erg Chebbi noch, als es in den Dünen drei Cafés gab, null Hotels, kaum Touristen, die nur abends in Landrover-Karawanen eintrafen, um den Sonnenuntergang zu bestaunen. Dann ging es wieder in ihr Hotel in Erfoud zurück. Nur vor der großen Düne bei Merzouga gab es das Hotel Merzouga, kein Strom, Zimmer nut mit primitiven Betten, WC auf dem Gang, von Klimaanlage träumte man damals nicht einmal. Ich habe trotzdem dort geschlafen, im Café Dune dÒr auf Matten. Am Abend kamen auf Mopeds ein paar Jungs und haben getrommelt bis das Zwerchfell platzte. Es war eine schöne Zeit. Keine Fotos dazu, denn damals gab es die nur auf Papier, zückte nicht dauernd jemand sein Smartphone.

Dann kamen immer mehr Hotels, dann wurde die Teerstraße gebaut, die Sanddünen mit Biwaks zugepflastert. Finde ich das gut? Nein. Kann ich es aufhalten? Nein. Quads tauchten auf. Schon 2014 schrieb ich in meinem Reisehandbuch:

Ein weiteres Problem stellen die Offroad- und vor allem Quadfahrer dar, die mit ihren Fahrzeugen die Dünen zur Teststrecke erkoren haben. Die Landschaft wird zerstört, die Tierwelt vertrieben, aber es bringt das große Geld. Das ist leider das einzige was zählt. Seit 2005 ist das Befahren der Dünen offiziell verboten, aber es kümmert sich niemand darum. Der Erg Chebbi sollte gerade nach dieser Katastrophe (Unwetter mit Überschwemmung und Zerstörung vieler Auberges) zum Naturschutzgebiet erklärt werden, aber wahrscheinlich ist es dafür schon zu spät. Hoffentlich geschieht nicht das gleiche am bisher noch recht natürlich erhaltenen Erg Chegaga.

Konnte ich damit irgendetwas aufhalten? Nein. Quads und Buggies nehmen immer mehr zu, Ruhe findet man in den Dünen nicht mehr.

Ali Oubassidi vom schönen Gästehaus Ksar Bicha

Und so habe ich auch die Einladung von Ali Oubassidi von dem schönen Gästehaus Ksar Bicha akzeptiert, mit dem Buggy zum Sonnenuntergang zu fahren. Ich soll das verdammte Ding fahren. Aber ich habe doch Angst! Ali ist tatsächlich ein geprüfter Fahrlehrer für Quads und Buggies, künftige Rallyefahrer lernen bei ihm. Zudem spricht er gut Deutsch, in schnellen Situationen von Vorteil. Ich kann ihm vertrauen. Und so rasen wir die Dünen hinauf und hinunter. Wenn es hoch geht sehe ich ja absolut nicht was dahinter kommt, und was kommt ist meist sehr steil abwärts. Aber das Ding meistert alles. Zudem ist man gut festgehalten durch den Gurt sowie den Überrollbügel, selbst bei einem Sturz würde wenig passieren. Das sieht bei Quads schon anders aus, da gibt es öfter Unfälle mit Verletzten. Und trotzdem, mir reicht eine kurze Tour, ich bin doch zu ängstlich. Kann verstehen, dass es den großen Jungs viel Spaß macht, aber ich möchte doch lieber zurück.

Biwak

Ali will mir seine Biwaks auf der anderen Seite des Erg zeigen. Mitten in den Dünen sind ja nun keine festen Camps mehr erlaubt. Ich sage, dann fährst du aber. Er sagt, dann fahren wir mit dem Auto. Zurück an der Werkstatt lässt er Luft ab aus den Reifen. Mir hätte schon da böses schwanen müssen. Denn anstatt die bequeme Piste um Erg Chebbi zu fahren geht es nun über die allerhöchsten Dünen. Ali sagt, man muss immer über die hohen Dünen, um den besten Überblick zu haben. Eine wilde Jagd. Gemütlich ziehen die Kamele dahin, um die Gäste zu den Biwaks zu bringen, um sie nicht zu stören geht es also wieder hinauf. Wir trinken Tee im Biwak, die Gäste treffen ein, machen sich hügelan auf den Weg für den Sonnenuntergang, also fahren auch wir wieder los. Wohin? Überflüssig zu fragen, natürlich in Richtung auf die höchste Düne. Dort stehen bereits drei Touristen, fest umhüllt mit blauen Chechs, ich habe ein schlechtes Gewissen, ihre Ruhe zu stören, Ali saust darauf zu. Und die Gäste? Schimpfen? Nein! Begrüßen uns mit fröhlichem Hallo und wollen alle ein Foto mit dem Wagen. Ich frage nach der Nationalität: Marokko! Was? So sehen sie nicht aus. Sind drei Geschwister und wohnen in Marrakech, Dänemark und Kalifornien. Und sind doch tatsächlich Gäste in Alis Biwak, obwohl es noch gut 90 andere gibt an den Dünen.

Der Sonnenuntergang ist grandios und Ali muss versprechen, die Gäste morgen früh persönlich aus dem Biwak abzuholen mit diesem tollen Wüstenauto, das hat sie sehr beeindruckt.

Wer das Abenteuer nachmachen möchte, hier gibt’s die Fahrzeuge:

Merzouga Desert, Hassi Labiad, Tel. 0650 – 03 14 56, www.merzougadesert.com, merzougadesert@yahoo.com

Oder quartiert euch doch gleich im schönen Ksar Bicha ein und redet mit Ali, www.ksarbicha.com