Nachruf auf die Marrakech

In Facebook wurde dieses herrliche Schiff erwähnt, was in mir viele Erinnerungen wachgerufen hat. Hier ein Bericht von meiner ersten Reise 1987:

„Diesmal will ich endgültig allein fahren, deshalb schreckt mich die endlos lange Anreise über Spanien. Von Sète in Südfrankreich aus gibt es ein Fährschiff direkt nach Tanger und so buche ich eine Passage für mich und den Suzuki. Die Anfahrt nach Sète ist ein Kinderspiel, gut 1 000 Kilometer Autobahn. Und da liegt sie nun, die Marrakech. Ein Traumschiff! Riesengroß und blütenweiß schwimmt sie im Hafen. Die Schlange zur Abfertigung ist nicht sehr lang, ich parke den Wagen in dem kleinen Hafen und habe genug Zeit, mir den nahegelegenen Ort anzusehen.

Am Nachmittag beginnt endlich die Einschiffung. Die Marrakech ist das schönste und sauberste Fährschiff, das ich je gesehen habe, ich lerne Marokko zum erstenmal von seiner luxuriösen Seite kennen. Das Schiff gehört dem König, wenn er es selbst zu einer Kreuzfahrt benötigt, nimmt er es einfach aus dem normalen Liniendienst heraus. Ich habe Touristenklasse gebucht, aber meine Kabine ist schön und sauber und ich muss die vier Betten mit niemand teilen, die Fähre ist nicht ausgebucht. Das Schiff ist wie ein marokkanischer Palast eingerichtet, wunderschöne Fotografien vom Land hängen an den Wänden. Ich bin so glücklich wieder auf der Reise in mein geliebtes Land zu sein, dass mir beim Anblick dieser Fotos die Tränen kommen. Den marokkanischen Einreisestempel bekommen wir gleich an Bord, da kann es eine solche Überraschung wie in Melilla nicht geben.

Die Welt an Bord teilt sich in zwei Teile: Komfortklasse für die meist europäischen Reisenden und Touristenklasse für überwiegend marokkanische Passagiere. Ich hänge irgendwo dazwischen. Bei den Marokkanern bin ich für die Mahlzeiten, aber zwischendurch erhalte ich Zutritt zu den Salons der ersten Klasse. Als alleinreisende Frau genießt man Privilegien. Noch vor der Abfahrt sitze ich im Teesalon. Es gibt auch hier schon den original Pfefferminztee, den aber außer mir kein Tourist trinkt. Für sie ist alles noch neu, sie kennen die marokkanischen Spezialitäten noch nicht. Die erste Einladung habe ich schon, der Kellner Hassan hat nach dieser Überfahrt Urlaub und will mich in seine Heimatstadt Fes mitnehmen.

Der Platz an der Bar des Teesalons wird mein bevorzugter Aufenthaltsort für den Rest der 38-stündigen Überfahrt. Immer wieder kommt jemand von der Mannschaft vorbei, um einen Tee zu trinken und ich lerne alle kennen. Am meisten unterhalte ich mich mit Tayeb, dem Bordfunker. Er ist schon älter und war in der Kolonialzeit beim französischen Militär. So ist er bis nach Deutschland gekommen. Er zeigt mir seinen Funkraum und ich darf sogar auf die Brücke. Am zweiten Abend soll in der Bar ein Folkloreabend stattfinden und Tayeb möchte nach Feierabend mit mir hingehen. Ich warte in dem Funkraum, er liegt auf dem achten Deck des Schiffes, sehr weit oben. Das Schaukeln schiebe ich auf die exponierte Lage des Raumes. Als wir nach dem Dienst heruntergehen, sind in den Gängen Papiertüten verteilt. Mir schwant schlimmes! Und tatsächlich, als ich die tanzenden Menschen in der Bar sehe, kann ich nur noch den schnellsten Weg zu den Toiletten suchen.

Auch hier auf dem Schiff sind die Männer, das heißt das Schiffspersonal, nur an einem interessiert. Der Maschinist will mir seine Kabine zeigen, er meint, ich könne gerne die Nacht bei ihm verbringen. Selbst Tayeb erklärt mir, dass er die Frau seines Lebens suche. Es ist immer schwer zu unterscheiden, ob es sich um echte Freundschaft handelt oder ob nur ein Abenteuer gesucht wird. Ich handele immer nach meinem Gefühl und habe so schon viele gute Freunde gefunden.“

Auf den folgenden Fahrten habe ich dann nicht mehr Touristenklasse gebucht, sondern nur noch einen Platz in einer Vierbettkabine der Komfortklasse. Meist hatte ich die allein, weil es nicht möglich war, alleinreisende Frauen zu mir zu stecken, waren keine da. Mir kamen jedesmal Tränen vor Freude und Rührung, wenn ich wieder auf dem Schiff war. Und das Essen war einfach grandios. Nach Ankunft auf dem Schiff wurde jedem ein Platz am Tisch zugeteilt für die ganze Zeit und so entstanden sehr interessante Gruppen. Da ich englisch und französisch spreche war auch die Kommunikation kein Problem, die Zeit auf dem Schiff verflog nur so. Das Essen bestand aus einen sehr guten Viergang-Menü, der Wein dazu war preiswert und meist hatten es die Kellner schwer, uns wieder vom Tisch weg zu bekommen. Aber dann sind wir halt zur Bar oder in den Teesalon gewechselt. Von der 1988er Reise schrieb ich:

„Nun bin ich wieder auf der Marrakech. Es ist ganz anders als ich es mir ausgemalt hatte. Der Funker ist nicht mehr da, nur noch der Barkeeper. Aber dafür habe ich einen jungen Amerikaner kennengelernt, der mir sehr sympathisch ist. Mit dem würde ich gerne ein paar Tage fahren, aber er hat kein Visum und darf nicht bleiben. Der erste Tag in Marokko verlief völlig anders als ich es mir vorgestellt hatte. Es kostete mich zwar eine Menge Geld, aber ich bin nicht böse darüber. Es war ja freiwillig. Auf dem Schiff habe ich so nette und interessante Leute kennengelernt, mit denen ich gerne noch zusammen bleiben wollte. Darunter war der amerikanische Konsul in Casablanca. Und irgendwie landeten wir alle zusammen im teuersten Hotel von Tanger. Es ist mal eine ganz andere Welt, die ich hier kennenlerne, ich würde zwar niemals meine Welt aufgeben, aber es ist doch interessant, es kennengelernt zu haben.“

Das Schiff gehörte zum Besitz von König Hassan II und wenn er es für seine eigenen Zwecke brauchte, dann wurde es einfach abgezogen. So kam ich auch einmal an den Hafen und ein anderes Schiff stand dort. Eine wahre Katastrophe, denn die Marrakech ist einzigartig. Auch die Einrichtung der Salons war im marokkanischen Stil, schön verzierte Holzschnitzereien und jeden Abend spielte eine Band zum Tanz. Sie wurde betrieben von der marokkanischen Reederei Comanav, doch irgendwann ging es mit der bergab. Zunächst wurde am Essen und am Service gespart und dann war sie pleite. Ich glaube meine letzte Fahrt mit ihr war 2005. Die heutigen italienischen Schiffe können da einfach nicht mithalten.

Die ersten Fotos sind von 1987

Diese Fotos von 2005