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Taunusstein nein danke

Ich hatte mein ganzes Erwachsenenleben in Wiesbaden gewohnt als ich vor 12 Jahren die Nachricht bekam, dass das Haus, in dem meine Mietwohnung lag, abgerissen werde und ich mir etwas Neues suchen muss. Ein Schock, denn ich wohnte trotz einiger Mängel doch gerne da, die Miete war preiswert und ich konnte zur Arbeitsstelle laufen. Eine neue Wohnung musste her. Und es wurde Taunusstein. Nicht weil es ein so schöner Ort ist, sondern weil nur hier die Wohnungspreise noch erschwinglich waren.

Schon vom ersten Tag an suchte ich Kontakt. Den fand ich zunächst. Vor allem, weil es in meiner Wohnanlage Schwimmbad und Sauna gibt, das ist ein Treffpunkt. Ich fand Menschen mit denen ich reden konnte. Aber mit denen ich nichts gemeinsam hatte. Nicht das was ich brauche.

Dann kam das Jahr 2015 mit der Flüchtlingskrise. Aufgrund meiner Auslandserfahrung, vor allem durch die herzlichen Erlebnisse in Marokko durch die einfachen Menschen auf dem Land, die nichts hatten, aber mir alles gaben, dachte ich, ich müsste was zurück geben und engagierte mich in der Flüchtlingshilfe. Ich lernte dadurch auch nette Flüchtlinge kennen, wurde auch von denen herzlich angenommen, aber nicht von den Taunussteinern. Bei denen stieß ich auf Ablehnung. Ich kam in Kontakt mit so vielen Frauen in meinem Alter, und keine einzige wollte etwas mit mir zu tun haben. Das war zum Beispiel U. Sie schrieb in Facebook von einem wunderschönen Abend mit ihren Freundinnen, die ich alle durch die Flüchtlingshilfe zum mindesten namentlich kannte, und ich antwortete, warum nehmt ihr mich nicht mal mit. Eine entrüstete Antwort kam, aber das war doch ein Abend mit meinen Mädels!

Ja, so ist das. Eine eingeschworene Gemeinschaft, in die ich nicht rein darf. So erlebe ich Taunusstein. Nicht offen, nicht herzlich. Wie anders ist doch da meine Zeit in Florida. Auch dort habe ich keine engen Freundschaften, dafür bin ich selbst viel zu distanziert, aber doch Bekanntschaften. Ich engagiere mich in der Natur und im Freizeitbereich und wenn ich im Winter wieder eintreffe freut man sich und nimmt mich in den Arm. Gerade schrieb mir Maggie wie sehr man mich vermisst. So schön. Am liebsten würde ich meinen Lebensmittelpunkt ganz in Florida haben, aber das geht aus rechtlichen Gründen leider nicht so einfach.

Dieser menschliche Gesichtspunkt ist mir das Hauptargument gegen Taunusstein, aber auch sonst gibt es nicht viele Pluspunkte. Natürlich der Wald, der gleich vor meiner Haustür beginnt. Und die Nähe zu Wiesbaden. In 9 km bin ich in der Stadt. Aber da Taunusstein keine gewachsene Stadt ist, sondern sich aus vielen einzelnen Dörfern zusammensetzt, die man dann als Stadt zusammen genommen hat, gibt es auch kein schönes Stadtzentrum, wo man mal bummeln gehen kann. So wie in Idstein. Als ich eine Wohnung suchte habe ich noch gearbeitet und wollte möglich nah an der Arbeitsstelle wohnen, Idstein war mir da zu weit. Aber heute wäre ich tausendmal lieber in Idstein. Ob die Menschen da freundlicher sind kann ich natürlich nicht sagen.

Auf der Kuchalb

Meine Familie und ich verbringen einige Tage in Geislingen, weil meine Enkelin hier ein Studium angefangen hat und wir sie besuchen. Es sind einfach wunderschöne Tage, wo jeder einzelne Moment erzählenswert wäre. Aber der heutige Abschluss der Reise war doch besonders.

Ich wohne nicht bei meiner Enkelin, sie hat eine schöne Wohnung, aber auch nicht sooo viel Platz, sondern außerhalb in einem netten Hotel auf der Kuchalb. Kennt ihr das? Nein? Komisch. Der Ort hat immerhin genau 12 Häuser und 38 Einwohner, 10 Windräder, etwa 50 Kühe, 100 Schafe, 20 Pferde, etliche Katzen und Zwergkaninchen, die auf der Straße umherhoppeln. Herrlich zum Fahrrad fahren oder wandern.

Mit meiner Familie habe ich so viel Schönes unternommen, dass ich heute schon früh in mein Hotel auf der Alb zurück fuhr, war einfach müde. Aber da ist ja Mutter Franzl. DAS Restaurant des Ortes. Nur Donnerstag bis Sonntag geöffnet. Eigentlich wollten wir heute dorthin, aber dann haben wir heute in Blaubeuren so gut gegessen, dass wir keinen Hunger mehr hatten. Aber ich könnte ja nur einen Wein trinken …

Ich also hin und von außen durchs Fenster geschaut. Viel Betrieb, die Leute saßen an Tischen und aßen. Keine Bar. Soll ich wirklich? Nein, ich traue mich nicht. Müsste ja an einen Tisch so ganz allein. Die Katze empfing mich nett, lief mir ständig nach als ich ums Haus herum schlich. Aber nein. Also wieder ins Hotel zurück, gerade 50 m entfernt.

Aber im Zimmer? Auch allein. Um 20 Uhr. Langweilig. Wieder zurück. Allen Mut zusammen genommen. Rein! An der Theke gefragt: Haben Sie einen Platz für mich ganz allein? Ja, warum nicht gleich am Stammtisch. Ich völlig perplex. Ja gerne, wenn ich darf. Nur ein Mann saß da, sprach mich gleich an. Er stammt von der Kuchalb, wohnt aber nun im Ort unten, 300 steile Höhenmeter kommt er mit seinem eBike, damit er etwas trinken kann. Woher, wohin. Ich erzählte kurz. Dann kam der nächste. Fragte auch woher. Ich sage dann immer Wiesbaden, weil Taunusstein ja eh keiner kennt und ich mich nach 45 Jahren Wiesbaden dort auch eher zuhause fühle. Er sagte, ach wie interessant, ich habe in Taunusstein gearbeitet. Könnte nun sagen, damit war das Eis gebrochen. Nur, da war niemals Eis. Die beiden waren total nett, nahmen mich sofort auf und waren doch echte, urtypische Schwaben. Geschichten gingen hin und her, so lustig wie der eine seine Frau aus Norddeutschland erobert hat. Der eBike-Fahrer mit Strohhut, Strickjopperl und Cordhose strich regelmäßig Schnupftabak auf seinen Handrücken. Um zumindest etwas typisches zu essen bestellte ich eine Flädlesuppe.

Dann kam Julia. Sie ist die Wirtin und setzte sich zu uns. Ein richtiges Unikum. Ich schätze sie auf 45, so richtig babyspeckdick mit Pausbäckchen, aber gekleidet wie in Florida (heute ist es kalt). Knappe Shorts, Tanktop, Bandana über der Stirn und Speckrollen auf dem Bauch. Super Type. Betonte wie wichtig es ihr ist, die Erzeugnisse der Küche aus dem regionalen Anbau zu beziehen. Vor allem auch das Fleisch. Der eine Gast bezahlte und wollte gehen, da rief sie ihn zurück und bestellte Marillenschnaps für uns alle vier. Übrigens ist die echte Mutter Franzl schon einige Jahre tot und Julia hat die Gastwirtschaft übernommen.

Ach, was war das so schön. Hier möchte ich wohnen und Mutter Franzl gleich um die Ecke habe. Ich liebe die Kuchalb.

Rösti

Also alle Bocuse-Jünger und Meisterköche, schaltet mal ab. Das ist nichts für euch, die ihr alles besser wisst. Das ist nur der Bericht einer Amateurin. An Ostern will meine Familie zu mir zum Essen kommen. Ich freue mich total. Aber. Vielleicht ergeht es manchem ähnlich, je älter ich werde, desto schwerer fällt mir das ausführliche Kochen. Ich koche ja nur noch für mich, zwar immer gesund mit reinen Zutaten, keine Kochmischungen mit Chemie, aber ein Essen ist in höchstens 15 Minuten fertig. Dabei habe ich ja heute mehr Zeit als ich haben möchte.

Mir fiel schließlich ein Hauptgericht ein, dass ich früher ab und zu gekocht habe, für Besuch, nicht für den Alltag, und ich glaube mein Sohn hat es immer sehr gemocht. Aber da wäre ja noch eine Vorspeise. Es könnte eine schöne cremige Suppe geben. Aber gerade am letzten Samstag war ich zum Essen eingeladen, bei einer Meisterköchin, die nicht nur fantastisch und gesund kocht, sondern es noch versteht, ihr Heim derart hübsch und gemütlich zu machen, dass mir richtig schlecht wird, wenn ich an meine Oster-Aufgabe denke. Und die cremige Bärlauchsuppe mit gerösteten Knoblauch-Brot Streifen kann ich nicht übertreffen. Also besser gar nicht versuchen, hier Konkurrenz aufzubauen.

Dann komme ich auf Kartoffelpuffer mit Lachs, Meerrettich und Dill. Ja, das wäre was. War im Lidl, der hatte keine Kartoffelpuffer, außerdem stelle ich mir so kleine runde vor und die wären eh zu groß. Dann kommt ein sehr überraschender und schöner Anruf. Meine Enkelin schlägt vor, dass sie zu diesem Anlass schon etwas früher kommt und wir zusammen kochen. Ach, wie schön. Ich erzähle von den Rösti, oder was auch immer das ist, mit Lachs, und sie findet es gut. Meint, wenn ich sie nicht bekomme könnten wir sie ja auch selbst machen.

Eigentlich eine gute Idee, natürlich hat auch meine Mutter manchmal Reibekuchen selbst gemacht. Da es aber so nicht unbedingt meins ist habe ich es nie nachgekocht, sondern nur einmal fertige gekauft, weil ich die zu Lachs essen wollte.

Bin dann zu Aldi. Ja, dort gab es Kartoffelpuffer. Sowohl fertig in runder Form als auch ein Becher mit dem Teig, den man ja dann selbst irgendwie in die Pfanne bekommen könnte. Wie üblich schaue ich mir die Liste der Zutaten an: 93% Kartoffeln, Rapsöl, Zwiebeln, Stärke, Speisesalz, Aroma, Raucharoma, Emulgator Mono- und Diglyceride von Speisefettsäuren, Hefeextrakt, Gewürze. Kann Spuren von Gluten, Milch, Ei, Sellerie und Senf enthalten.

Mhm. Nein. Ist nicht meins. Ich komme immer mehr zu dem Schluss, keine vorgefertigten Speisen zu kaufen, die alles Mögliche enthalten, was ins Originalprodukt nicht rein gehört.

Also Kartoffeln gekauft. Was ja auch viel billiger ist. Und erst einmal im Internet nachgeschaut, was der Unterschied zwischen Kartoffelpuffer und Rösti ist. Sehr interessant. Die schweizer Variante Rösti besteht tatsächlich nur aus Kartoffeln, Pfeffer und Salz. Selbst die Zugabe einer Zwiebel ist nur eine Variante. Deutsche Reibekuchen bestehen wie die Rösti aus geriebenen Kartoffeln. Dazu kommen aber noch Eier und Mehl. Manchmal werden noch Zwiebelwürfel, Milch oder gar Quark zum Teig gegeben.

Ziemlich schnell wurde mir klar, die reine schweizer Variante soll es sein. Nicht aber ohne es zuvor auszuprobieren. Denn eine Premiere beim Osteressen könnte schief gehen. Also rohe Kartoffeln grob gerieben und auch noch eine Zwiebel hinterher. Zwei durchschnittlich große Kartoffeln ergeben einen großen oder zwei kleine Puffer. Butterschmalz soll man nehmen, Aldi hat aber keins, also nehme ich Olivenöl. Und mache einen großen Puffer. Ja, schmeckt recht gut. Vielleicht etwas mehr würzen. Dazu Apfelmus. Lecker. An der Form könnte man noch etwas arbeiten.

Donnerstag Mittag. Was soll ich heute kochen? Warum nicht wieder Rösti, diesmal wie vorgesehen mit Lachs. Der Teig wird bereitet, da fällt mir ein, dass ich auch noch etwas frischen Spinat im Haus habe. Schnell gedünstet. Da ich keine Bacon-Streifen habe werden ein paar Bits gebraten und zwei Puffer. Einen mit Lachs und Meerrettich, einen mit Bacon Bits und Spinat. Oh mein Gott, wie gut. Ich könnte nur noch von Rösti leben und stelle mir unzählige Varianten vor.

Ukraine

21.5.1940

Heute gebe ich für eine unbestimmte Zeit das Zivilleben auf. Um 8.30 fährt mein Zug von Kirn ab, der mich in eine ungewisse Zukunft trägt. Wird es mir vergönnt sein, genau so froh und glücklich nach Beendigung des Krieges nach Hause zurückzukehren? Berta und Sigrid brachten mich an die Bahn. Der Abschied fiel mir verhältnismäßig leicht, da ich immer noch eine gewisse Zeit vor mir habe ehe ich an die Front komme. Aus allen Gegenden kommen junge Leute mit Koffern. Man sieht es ihnen von weitem an, dass sie zu den Soldaten müssen. Alle sind guten Mutes.

4.6.1940

Heute ist der wichtigste Tag im Leben der Soldaten. Es ist Vereidigung. In feierlicher Form wurden sämtliche Kompanien im Hofe des Kornmarktes vereidigt. Bei dem Nachsprechen der Eidesformel befiel mich ein eigenartiges Gefühl. Jetzt bin ich Soldat mit Leib und Seele. Es gilt der Satz; wer auf die preußische Fahne schwört, hat nichts mehr, was ihm selber gehört. Wenn die Frage an mich herantritt, soll ich mein Leben einsetzen oder nicht, werde ich mit allen Konsequenzen meine Pflicht tun.

20.1.1943

Um 6 Uhr sollte es losgehen, doch mussten wir noch auf die Kolonne des Ic warten. Um 7 Uhr kam sie endlich. An sie hängten wir uns an, da die Strecke schon von den Russen bedroht war. In flotter Fahrt ging es los. Unendlich viele Kolonnen überholten wir, die alle auf dem Rückzug waren. Trotzdem ging es schnell bis Bataisk. Dort begannen die ersten Stauungen. Um 10 Uhr waren wir in Bataisk. Zu der gleichen Zeit waren 10 russische Panzerspähwagen bis zum Flugplatz durchgebrochen. Stuckas warfen 5 davon in Brand. Die Stuckas sahen wir wohl, wussten aber nicht, was los war. Erst in Mariupol erfuhren wir es. Von Bataisk bis Rostow ging es in einer langen Kolonne. Der erste Halt war vor der Don-Brücke. Aber dann ging das Theater los. Nur schrittweise kamen wir vorwärts.

Die Stadt überfüllt von Kolonnen und Rumänen auf der Flucht. Mühsam musste jeder Meter erkämpft werden. Eine geschlagene Armee auf der Flucht. Die wenigsten hatten noch Waffen. Nur mit dem, was sie auf den Leibern hatten, waren sie geflohen. Die Rumänen waren in der Kalmückensteppe eingesetzt. Sie sollten bei der Entlastungsoffensive für Stalingrad den zu erwartenden russischen Stoß auffangen. Die Russen kamen aber mit 40 Divisionen und unzähligen Panzern. Die Rumänen hatten wenig Panzerabwehr. Da war es mit Widerstand vorbei. In panikartiger Flucht gingen die Truppen zurück. Noch 200 km hinter der Front warfen sie ihre Gewehre fort. Große Teile der Kampftruppen mit Waffen und Gerät gerieten in Gefangenschaft. Zu essen haben sie nichts. Seit 4 Wochen keine richtige Verpflegung, kaum Brot. In allen Dörfern betteln sie. Sie sind zu bedauern. An Wehrsold bekommen sie im ganzen Monat 1 RM. Ein Volksdeutscher, den wir bis Mariupol mitnahmen, erzählte uns, dass die ganze rumänische Armee nach Hause geschickt wurde. Rechts und links der Straße lagen zahllose tote Pferde. Eine Armee auf dem Rückmarsch.

Dieser Text stammt aus dem Kriegstagebuch meines Vaters. Fast 80 Jahre ist es her, dass er dies schrieb. Und irgendwie wieder schrecklich aktuell. Bitte, bitte beendet den Krieg und lasst es nicht so weit kommen, dass auch unsere Männer wieder in den Krieg ziehen.

Kriegstagebuch

Deutschland

Was ist nur in Deutschland los. Das ist kein Land mehr, auf das ich stolz bin, zu dem ich gehören möchte. Die Coronazahlen schießen in die Höhe, die Politik ist zerstritten wie nie. Die CDU hat monatelang nichts getan, blieb völlig in ihre eigenen Probleme verstrickt, und nun plötzlich werden sie aktiv. Und versuchen die Pläne der künftigen Regierung zu blocken. Ich bin so froh, dass die CDU und ihre unfähigen Minister bald weg sind vom Fenster, aber ich würde zumindest so viel Menschlichkeit erwarten, dass sie nun nicht die Handlungen weiter verhindern. Im Bundestag konnten sie das neue Gesetz nicht verhindern, aber im Bundesrat wollen sie es blockieren.

Ich bin nur froh, dass ich rechtzeitig geflüchtet bin. Wenn alles gut geht kann ich bis zum März bleiben und ich hoffe sehr, dass es in Deutschland bis dahin besser geht. Und kann nur jedem raten, der wie ich Rentner und frei ist, machen Sie das gleiche. Flüchten Sie so schnell wie möglich, suchen sich ein schönes Land für den Winter und bleiben Sie Deutschland fern. Ich habe auch die Befürchtung, dass, wenn die Zahlen in Deutschland weiter steigen, viele Länder ihre Grenzen für Deutsche dichtmachen werden.

Für Corona bin ich kein Experte. Ich kann nur beobachten und mir das für mich persönlich am passendste heraussuchen. Und das habe ich mit Florida getan. Hier waren die Zahlen im Sommer auch extrem hoch. Und man hat so gut wie nichts dagegen getan. Die Impfrate ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Was hier deutlich besser ist, ist das Impfangebot. Hier wird nicht beim Arzt geimpft, sondern in den Apotheken. Es gibt zwar auch öffentliche Impfzentren, aber recht wenig,. Dafür sind die Apotheken sehr, sehr zahlreich. Am Tag, als meine zweite Impfung genau ein Jahr her, war fragte ich online nach einem Termin bei meiner bevorzugten Walgreens-Pharmacie für den Booster und konnte bereits nach 45 Minuten vorfahren. Karte ausgefüllt, Pieks und fertig. So geht das hier.

Negativ ist zwar, dass es hier bestimmt so viele Impfgegner gibt wie in Deutschland, aber trotzdem sind die Zahlen sehr niedrig. Es gibt so gut wie keine Coronamaßnahmen mehr. Zwar streitet der Gouverneur mit den Kommunen über eine Maskenpflicht in den Schulen, aber im Alltag ist die Maske praktisch nicht da. Nur einige Angestellte tragen sie, und sehr, sehr wenige Bewohner. Ansonsten ist wirklich alles auf, es gibt Feste, Konzerte und Sportveranstaltungen.

Ja, das ist mein Land.

Back Home

Ich glaube, ich werde gleich sehr melodramatisch und persönlich. Sitze im Flieger auf dem Weg nach Hause und reflektiere natürlich über mein Projekt. Und über mein Leben. Zuerst mal, es war auf jeden Fall das Beste, das ich in dem Corona Jahr gemacht habe. Und ich hätte es auf jeden Fall schon sehr viel früher machen sollen.

Auf dem Hinweg habe ich mich ja noch sehr als Pionier gefühlt, als jemand, der Neuland entdeckt. Was ich ja auch gemacht habe. Die Rückkehr ist sehr viel weniger aufregend. Zunächst mal die Fakten. Deutschland hat kürzlich seine Einreisebestimmungen geändert und erlässt nun den voll Geimpften sowohl den negativen Test vor Einreise als auch die Quarantäne. Richtig so. Damit habe ich auch gerechnet. Übrigens, ich habe keinem einzigen Deutschen die Impfdosen weggenommen, ist doch auch etwas!

Zunächst galt es Koffer packen. Ich habe in Daytona ja voll den Einkaufsrausch ausgelebt, nach einem Jahr Enthaltung, allerdings nicht ganz so vollkommen, wie ich es gerne getan hätte. Denn meinem Eindruck nach haben zwar alle Geschäfte geöffnet, aber mit dem Nachschub hapert es. Im Grunde gab es die gleichen Kleidungsstücke wie im letzten Jahr, die Auswahl war gering und die Regale leer. Hängt wohl auch mit Corona zusammen. Trotzdem war es nicht ganz einfach, die Gepäckbestimmungen zu beachten. Als ich meinen Koffer zupresste und hochhob, war er gefühlt 30 kg schwer. Die Waage zeigte 21, kam mir schleierhaft vor. Als meine Abholer kamen und den Koffer ins Auto schleppten äußerten sie die gleichen Bedenken. Xmal gewogen, es blieb bei 21. Und schließlich im Flughafen waren es 48 pound. Stimmt also ungefähr.

Daytona ist ja ein kleiner Regionalflughafen und ich war neugierig, ob man nach dem Impfausweis fragen würde. Ich hatte ein Basic Ticket für den Rückflug gebucht, wo man erst beim Check in seinen Koffer anmelden muss und auch erst am Gate seinen Sitz bekommt. Also war ich neugierig, ob man mich nach einem negativen Test oder Impfausweis fragt, was ja innerhalb USA nicht vorgeschrieben ist. Und ja, man tat es. Dann kam ich nach Atlanta und ging zum Gate wegen dem Platz. Vor dem Gate, wo man ja normalerweise nicht mehr an den Schalter muss wenn man seine Bordkarte hat, eine kleine Schlange. Ich muss ja hin, wegen dem Sitz. Doch sehr langsam ging mir auf, dass diesmal jeder dorthin muss. Um eben wegen den Einreisebedingungen von Deutschland seine entsprechenden Papiere vorzuweisen. Ich hatte ja alles beisammen und die Dame atmete richtig auf, als ich ihr zack meine CDC Karte und die deutsche Einreiseanmeldung auf den Tresen legte. Viele andere hatten das nicht parat und so wurde die Schlange auch immer länger, vor allem weil den meisten erst sehr spät klar wurde, dass alle an den Schalter müssen.

Dann konnten wir boarden und nicht wie sonst in den berühmten Gruppen, sondern jeder, der seine Papiere deklariert hatte, konnte gleich rein. Ein Riesenaufwand. Im Flieger stellte sich raus, dass nur etwa die Hälfte besetzt war, ich möchte mir gar nicht ausmalen, wie lange das dauern würde, wenn das Ding voll besetzt ist.

Im Flieger selbst ging es locker zu, knapp die Hälfte besetzt, aber immer noch mehr als auf meinem Rückflug im Coronajahr , als die Pandemie eben begann und ich über London zurück musste. Jeder konnte sich frei einen Platz ohne Nachbarn suchen. Interessant, dass tatsächlich die meisten Passagiere Amis waren, keine Deutschen, obwohl sie doch eigentlich immer noch nicht nach Deutschland einreisen dürfen.

Aber ich sprach von melodramatisch. Und das kam durch den ersten Film, den ich mir ansah. Eigentlich mag ich keine Filme, tat mir auch schwer mit der Auswahl, und entschied mich schließlich für den Film „In Translation“ mit Bob Murray. Der war echt schön. Aber eben melodramatisch. Man denkt dann automatisch an sich selbst, man möchte auch einfach mal so etwas Schönes erleben. Wie zwei Menschen sich näher kommen und eine wunderbare Zeit haben. Die wirklich in die Tiefe geht. Ja, das fehlt mir. Diese oberflächlichen alten Herren, die im Grunde sich nach eine jungen Pflanze umsehen, die sich mit mir ganz sicher nicht mehr beschäftigen wollen, aber diese junge Pflanze eben auch nicht finden. Okay, Bill bekam auch nicht die schöne Junge, aber er wollte ja auch nicht. Es war ein sehr gefühlvoller Film, der mir gut gefiel.

Ach ja. Aber es ist nunmal so, dass ich zwar nicht jung bin, aber ganz viel Aufregendes tue. Wie eben nach USA zu fahren wenn man es gar nicht darf. Und da jemand ebenbürtigen zu finden, der es mir gleich tut ist schwer. Freunde habe ich ja, und meine deutschen Freunde haben es mir gleich getan, auch sie sind über den Umweg DomRep nach Florida gefahren, und haben mich heute zum Flughafen gebracht. Und werden nächste Woche sogar ein paar Tage in meinem Haus wohnen.

Warum? Das ist ganz einfach. Sie haben den Urlaub so geplant, dass der eine, der noch arbeitet und deshalb Urlaubstage nehmen muss, zu Hause eine Quarantäne eingeplant hatte, bevor es zurück zur Arbeit ging. Zunächst konnte ich ihn überzeugen, sich in USA impfen zu lassen, so rechtzeitig, dass er genau dann in Deutschland ankommt, wenn die 14 Tage Frist nach der Impfung vorbei sind. Sein Begleiter dagegen weigerte sich, hatte Bedenken vor der Impfung. Drei Tage hat es gedauert, bis wir auch ihn überzeugen konnten. Was bedeutete, dass er zu Hause doch noch ein paar Tage in Quarantäne muss, bis die Schutzfrist um ist. Also wurden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, der Rückflüge wurden um die ursprüngliche Quarantänezeit verlängert und so kommt auch der andere in den Genuss der weggefallenen Quarantäne.

Ach ja, sie wurden natürlich mit dem einmaligen J&J geimpft, nur das ist ja in der kurzen Zeit vollkommen abgeschlossen. In USA bekommt man seinen Termin sofort und kann das Produkt auch noch auswählen.

Ja, bloß, ihr Haus war ab dem Zeitpunkt bereits vermietet und sie hätten auf der Straße gestanden. Nun wohnen sie bei mir. Und sie sind nicht die Einzigen. Kurz vor Abflug war ich noch in meiner Lieblingsbar, um mich von Freund Bob zu verabschieden. Er fragte mich, ob ich nicht mein Haus vermieten wolle. Nein, will ich nicht. Erzählte, dass es jemanden gäbe, dessen Wohnung von schlimmem Schimmel befallen sei und der deshalb ganz dringend etwas Neues suche, und das in einer Zeit, wo der Wohnungsmarkt in Florida absolut verrückt ist. Ich war keine 24 Stunden im Land, da erhielt ich zwei SMS auf mein amerikanisches Telefon mit Anfragen von Maklern, die mein Haus wollten und sofort ein Angebot abgeben wollten. Die Preise sind völlig überhöht. Und dieser Bekannte suchte etwas für einige Monate, um in Ruhe dann nach etwas langfristigem Ausschau zu halten. Bob gab mir seine Businesskarte und was mich überzeugte war der Beruf. Baumeister und Renovierer von Häusern. Solche Leute sind Gold wert, die muss man sich zum Freund machen. Nun werden wir mal sehen, wie dieses Projekt läuft.

Und nun lehne ich mich entspannt im Flieger zurück und genieße meinen Baileys auf Eis.

Mir reichts!

Heute wieder Schneeschauer vor der Tür, so geht es nicht weiter. Und die Maßnahmen unserer grandiosen Regierung sind ja auch zum Weglaufen, nichts haben sie im Griff. Meine Fluchtpläne nehmen Gestalt an. Schon lange sind sie in Vorbereitung, wurden aber von den Folgen meines Sturzes auf Glatteis verzögert. Und nun muss ich jeden Tag fürchten, dass noch neue Regelungen unserer tollen Regierung dazu kommen. Aber nein, die wollen sich erst am Montag wieder treffen, und bis dahin bin ich weg!!!!!

Juhu. Wohin es geht und wie lange ich wegbleibe? Das werdet ihr erst so nach und nach erfahren. Auf jeden Fall an einen Ort mit einem besseren Krisenmanagement.

Gesundheitsbericht II

Also die letzte Meldung war doch etwas zu optimistisch. Es ging dann erstmal wieder stark bergab. Aus der geplanten Kayakfahrt wurde eine Odyssee bei Ärzten. Ich schreibe das hier, weil es vielleicht noch andere Leute gibt, denen ähnliches passieren kann. Im Internet habe ich wenig Berichte darüber gefunden, erst meinem Sohn ist es gelungen, genau das richtige zu finden:

https://www.internisten-im-netz.de/aktuelle-meldungen/aktuell/schon-kleine-verletzungen-koennen-blutgerinnsel-ausloesen.html

Bei meinem nächsten Besuch beim Orthopäden brummte dieser erneut ziemlich stark, weil er etwas fand, das ihm überhaupt nicht gefiel. Er organisierte sofort einen Termin für mich zum MRT und dort bestätigte sich der Verdacht, durch die Verletzung war eine Thrombose ausgelöst worden. Inzwischen war es Abend geworden, aber er schärfte mir ein, sofort noch eine Heparinspritze aufzutreiben. Die Apotheke in seinem Haus hatte keine. Es war nicht einfach, ich wollte es auf den nächsten Morgen verschieben, aber er bestand darauf, dass es noch an diesem Abend geschieht, ansonsten kann eine lebensgefährliche Lungenembolie auftreten. Gesagt, getan.

Am nächsten Morgen dann noch ein Besuch beim Hausarzt, der mir ein Rezept für weitere Heparinspritzen in die Hand drückte. Die soll ich mir selbst verpassen. Ich? Ich, die ich vor Spritzen solche Angst habe, dass ich die Augen fest zudrücke und noch den Kopf abwende? Niemals! Da fiel mir meine 80jährige Nachbarin ein, die examinierte Krankenschwester ist. Mein Hausarzt meinte, wenn sie noch klar im Kopf ist kann sie das. Marlies klar im Kopf? Die ist topfit und rennt ja oft mit mir durch den Wald. Also nett gefragt und seitdem gehe ich morgens zu ihr, wie eine Visite im Krankenhaus, kann berichten und dann sticht sie mich so sanft, dass mein Bauch nur einen einzigen blauen Fleck hat, und das ist der Einstich vom ersten Notarzt. Schön wenn man gute Nachbarn hat.

Nun sollte ich aber auch Kompressionsstrümpfe bekommen. Ich bin ja auch ein wenig eitel und solche hässlichen Strümpfe mag ich gar nicht. Mein Sohn sagte, er hätte noch Kompressionsstrümpfe vom Marathon. Das klingt sportlich und schön sind sie auch. Also habe ich mich aufs Rad gesetzt und bin zu ihm gefahren. Ging neulich ja sehr gut. Aber da hat sich inzwischen doch einiges geändert durch die Thrombose und ich hatte Schmerzen danach. Von da an ging es täglich schlechter, an Laufen oder Radfahren war nicht mehr zu denken.

Gestern nun hatte ich einen Termin im Venenzentrum. Die Diagnose Thrombose wurde bestätigt, aber zum Glück werden nun die Spritzen durch Tabletten ersetzt. 3 Monate lang muss ich dieses Blutverdünnungsmittel nun nehmen und die Packung hat mal schnell 320 Euro gekostet! Außerdem empfahl mir der Arzt, nun doch medizinische Strümpfe zu bestellen, was ich auch getan habe. Inzwischen geht das Laufen ein wenig besser und vielleicht versuche ich heute mal wieder aufs Rad zu kommen. Aber ein Nachteil gibt es doch. Morgens nehme ich nun eine Tablette statt der Spritze, aber diese fragt mich nicht wie Marlies nett nach meinem Befinden und ich kann berichten.

P.S. Der Fluchtplan ist aber noch immer in Arbeit. 15 Tage müsst ihr noch warten, bis ihr etwas darüber erfahren werdet.

Coronaunfall

Gibt es noch etwas Schlimmeres als Corona? Ja, verletzt sein in Coronazeiten. Noch in den eisigen Tagen bin ich Freitag im Wald auf Glatteis ausgerutscht, es hat mir einfach die Füße weggezogen und blitzschnell lag ich auf meinem Po, die Beine ausgestreckt, aber das rechte Bein fühlte sich irgendwie verdreht an. Zuerst konnte ich überhaupt nicht aufstehen. Es tat sauweh und mir war schlecht. Irgendwann dann hob ich mich hoch und klammerte mich an einen Baum. Rief Nachbar Aleksander an. Er war aber mit dem Auto unterwegs.

Es dauerte schon eine Weile, bis ich in der Lage war, an den etwa 2 km langen Rückweg zu denken. Ich humpelte los, irgendwie. Aleksander rief an und sagte, er sei auf dem Weg, will mich abholen. Ich übermittelte meinen Standort, aber es würde eh noch eine Weile dauern, bis er da ist. Mit Auto bin ich ja mitten im Wald nicht zu erreichen. Also weiter. Und nach meinen ersten Glatteisunfall vor 2 Wochen weiß ich ja auch, ich sollte in eine Ambulanz gehen. Aber wohin? Hat Taunusstein sowas? Ich rief also die berühmte 116117 an, die durch das Impfen ja bekannt wurde. Und so wurde ich auch gleich vom Automat gefragt, ob ich einen Impftermin wünsche oder ein gesundheitliches Problem habe. Habe ich. Dann hieß es, in Notfällen lieber gleich die 112 wählen. Naja, um Leben und Tod ging es ja noch nicht. Also blieb ich dran, bis mir dann freundlich mitgeteilt wurde, dass ich in der Warteschlange an Platz 15 sei. Humpel, humpel, weiter geht’s. Das Handy in der Tasche zählte brav die Warteplätze ab und irgendwann bog ich auf die letzte Etappe vor der Heimat ein. Dann geschahen zwei Dinge fast gleichzeitig, ich war auf Platz eins und eine freundliche, echte Dame fragte nach meinen Problemen. Ich erfuhr, dass ich in die Ambulanz soll, aber weder gibt es so etwas in Taunusstein noch hat sie bereits geöffnet, es war zwei Uhr. Und ja, mein Hausarzt hat weder nachmittags geöffnet noch ein Röntgengerät. Und dann kamen Aleksander und Hund Elvis um die Ecke. Eingehakt bei ihm kam ich im Grunde auch nicht besser voran, aber fühlte mich nicht mehr so allein.

Zuhause dann erst mal auf die Couch. Und dann doch in die Ambulanz von Wiesbaden. Dort ist natürlich Hochsicherheitstrakt. Am Empfang fragte man mich, ob ich Corona Symptome habe, musste einen Bogen ausfüllen und durfte dann in den grünen Bereich, statt in den roten Coronatrakt. Man röntgte mich und fand, dass zumindest die Knochen heil geblieben seien. Ich soll einfach mal zwei Wochen abwarten, ob die Schmerzen zurück gehen, wenn nicht dann zum MRT. Außerdem verpasste man mir Krücken.

Mit den Krücken also zurück zum glücklicherweise in der Nähe geparkten Auto. Auto fahren kann ich gut, aber dass ich mir mit den Krücken nicht noch beide Beine brach, ist ein kleines Wunder. Mit den Dingern komme ich überhaupt nicht zurecht und sie landeten dann auch sehr bald in der Ecke.

So ging es also übers Wochenende. Und nun muss ich euch auch noch ein Geheimnis verraten. Am Sonntag war ja ein Date vorgesehen. Wir wollten durch den Wald laufen. Was auch sonst. Also sagte ich die 10 km ab, aber bestätigte den Kuchen danach. Im Moment brauche ich jede Abwechslung. War ganz nett. Aber am Montag rief ich doch lieber meinen Orthopäden an. Zum Glück habe ich ja nur gute Ärzte und bekam sofort einen Termin. Holte schnell die Röntgenbilder ab und fuhr los. Auf den Bildern sah der Gute nichts, an meinem Bein auch nicht, aber als er dann die Mikrowelle einsetzte, sorry, natürlich, den Ultraschall, schrie er vor Schreck. Ich übrigens auch. Es war ein ziemlich großer Muskelfaserriss. Okay, und was nun? Ganz einfach, Ruhe, Ruhe, Ruhe. Kein Sport, keine Belastung. Zinkleimverband.

Zwar fühlte ich mich mit dieser Verletzungsursache wie ein hochdotierter Fußballer, aber so richtig hilft mir das auch nicht. Seitdem bin ich wirklich wie ein Tiger im Käfig, als den ich mich ja schon länger fühle. Bisher konnte ich aber meinen Frust in den Taunuswäldern ablaufen und nun geht gar nichts mehr. Das gemeine ist, es tut kaum weh. Eigentlich könnte ich ganz gut laufen. Ich bin ja leistungsorientiert, möchte eigentlich jeden Tag üben, immer ein bisschen mehr, bis wieder alles gut ist. Und genau das wurde mir verboten. Ich wimmerte, kann ich nicht zumindest ein wenig eBike fahren? Nein, absolut nicht. Und nun steht der Frühling draußen vor der Tür und ich muss mir das von innen anschauen. Wer holt mich hier raus?

P.S. Am Fluchtplan wird weiter gearbeitet.

Wintersportparadies Wehen

Wehen liegt nur 8 km außerhalb von Wiesbaden, ist aber ein ziemlich unbedeutender Ortsteil des ebenso unscheinbaren Taunussteins. Und da Taunusstein viele Ortsteile hat, die irgendwann einmal zusammengeschmiedet wurden, gibt es auch kein richtiges städtisches Zentrum und keinen Grund nach Wehen zu kommen.

All das hat sich an Weihnachten geändert. Denn plötzlich schneite es. Wehen liegt auf 450 m im Taunus im Gegensatz zum eher warmen Wiesbaden auf 180 m und ist umgeben von Wald. Und der Schnee blieb liegen im Gegensatz zu dem warmen Wiesbaden. Und wir haben Corona. Lockdown, Kontaktbeschränkungen, kein Tourismus und gelangweilte Kinder auf der Couch. Und die wollen raus. Zwischen Wiesbaden und Wehen liegt die Platte, sozusagen der Hausberg der Stadt mit einer Wiese zum Schlittenfahren. Was liegt näher als dorthin zu fahren mit seinen Kindern.

Es gibt eine Menge Parkplätze an der Platte, aber eben doch nicht genug. Die Leute suchten sich irgendwie einen Platz. Ich war jeden Tag dort und habe es gesehen. Und als dann auf der Platte kein Platz mehr war bzw. die Polizei die Zufahrt abgesperrt hat, fuhren die Leute einfach weiter zur nächsten Ausfahrt und das ist eben Wehen. Gleich in der ersten Straße ist ein kleines Industriegebiet, da ist am Wochenende absolut nichts los, und da haben sie geparkt.

Den Aufschrei hättet ihr hören müssen. Den Aufschrei der besorgten Bürger. Das geht doch gar nicht, es ist doch Corona und in unseren Wald dürft ihr schon gar nicht. Der Bürgermeister wurde gerufen und schließlich wurden täglich 2 Polizeifahrzeuge an die Platte gestellt und alle Zufahrtswege in den Wald gesperrt.

Die Begründung war: zugeparkte Rettungsgassen, zerstörte Äcker, vollgeschissene Wälder, Coronaausbreitung durch zu wenig Abstand. Da kann man ja starke Maßnahmen auffahren, mich wundert, dass nicht noch das Militär gerufen wurde. Der im Winter nicht benötigte Tennisplatz wurde aufgerufen, seinen Parkplatz zu sperren, was dieser glücklicherweise nicht getan hat.

Meine Beobachtung dazu: Die Leute waren glücklich, die Kinder erst recht. Und sie brauchen die Bewegung an der frischen Luft. Ich habe null zugeparkte Rettungswege gesehen, Äcker haben wir dort schon gar nicht, und die Familien blieben zusammen und hielten Abstand von den anderen.

Ein Kritikpunkt allerdings ist berechtigt, und das sind die vollgeschissenen Wälder. Doch hat das weder mit Corona zu tun noch mit den Ausflüglern, sondern einfach mit der Stadt, die nicht entsprechend vorsorgt. Die Platte ist eines der wichtigsten Ausflugsgebiete von Wiesbaden und dennoch gibt es dort noch nicht mal einen Papierkorb, geschweige denn eine öffentliche Toilette. Schnee und Corona beiseite, hier sind immer sehr viele Ausflügler, aber nirgendwo ist eine Möglichkeit, sein Bedürfnis zu erledigen.

Ich bin täglich im Wald und meistens alleine auf den Wegen. Aber plötzlich hat sich das vollkommen geändert. Plötzlich sind wir ein richtiger Wintersportort. Überall spazierten Menschen, bauten Schneemänner und –frauen. Ich genderisiere hier nicht, sondern es wurden wirklich auch Schneefrauen gebaut. Und ich hatte so viele nette Gespräche. Ich habe die „Fremden“ freundlich angesprochen, wenn sie den Weg nicht kannten, habe meine Winterwelt mit ihnen geteilt und viele schöne Erlebnisse gehabt. Es schadet keinem, wenn man im Wald spazieren geht. Sie gingen familienweise und nicht in Gruppen und es war einfach schön.

Herzlich willkommen ihr Ausflügler.