Purple Martin- Condominium

Heute war feierliche Eröffnung des Purple Martin Condominiums am Mill Lake in Orange City, fast alle Honoratioren der Stadt waren anwesend, der Bürgermeister hielt die Eröffnungsrede. Meine deutschen Freunde wissen vielleicht nicht, was ein Condominium ist. Es ist eigentlich eine Eigentumswohnungsanlage. Meist sind es diese großen Häuser am Strand, deren Wohnungen verkauft werden, aber auch als Ferienwohnung weiter vermietet. Sie haben oft 100 und mehr Wohnungen.

Doch nicht dieses neue Gebäude hoch oben auf einer Stange. Es enthält nur 18 Räume, aber dennoch sind alle sehr stolz darauf. Nun wisst ihr wohl auch nicht, was Purple Martin ist. Wikipedia sagt dazu: Mit 20 cm Länge ist die Purpurschwalbe der größte Vertreter der Schwalben in Nordamerika. Die Purpurschwalbe brütet von Südkanada bis Mexiko und überwintert im Amazonasbecken. Die Purpurschwalbe brütet im Osten, also auch Florida, fast ausschließlich in Nistkästen, anderswo nützt sie verlassene Spechthöhlen, Löcher in Kakteen und Bäumen und sogar Felsklippen zum Nisten.

Und so wurde nun also am schönen Mill Lake in Orange City dieses Wohnhaus in luftiger Höhe für sie eröffnet und alle hoffen, dass es im nächsten Frühjahr bewohnt sein wird.

Ann

In diesem Jahr sind es genau 20 Jahre, dass ich mein zweites Heim in Florida gefunden habe. Ich lebe in einer kleinen Sackgasse mit wenigen Anwohnern. Am Anfang hatten wir alle ein gutes Verhältnis, setzten uns auch privat zusammen, aber über die Jahre gab es neue Leute und dieses nette Beisammensein ging verloren. Ann gehört noch zu den „Alten“. Eng ist unser Verhältnis nicht, aber ich war schon bei ihr zum Thanksgiving-Essen eingeladen. Doch sie genauso wie andere ältere Nachbarn in der Straße neigen in der letzten Zeit dazu, sich ganz in ihrem Haus zu vergraben, man sieht sie nicht im Garten und sie verlassen das Haus nur zum Einkaufen.

Als ich damals einzog hatte Ann’s Mann noch gelebt, war aber krank. Sie hat ihn liebevoll gepflegt bis zu seinem Tode, damit war sie sogar schon zum zweiten Mal Witwe. Nach einiger Zeit tauchte dann ein neuer Freund auf, Eddie, ein richtiger „Redneck“. Republikaner und Trump-Fan durch und durch. Entweder fuhr er knatternd auf seiner Harley vor oder im großen Pickup Truck geschmückt mit der USA- und der Florida-Flagge. Innen war sicher auch ein Gewehr, ein richtiger Redneck also. Übrigens sind beide in den Siebzigern.

Diesmal also sah ich Eddie nicht und Ann vergrub sich im Haus. Ich weiß aber auch, dass sie öfter mal kränkelt und wartete schon auf eine Gelegenheit, ihr meine Hilfe anzubieten. Die kam heute. Über Nacht hatten wir einen gewaltigen Sturm und der abgestorbene Palmstamm vom nicht bewohnten Nachbargrundstück war quer über Ann’s Einfahrt gefallen und nahm ihr so die Möglichkeit, mit dem Auto raus zu fahren. Zum Glück schrammte die Palme haarscharf an ihrem Gartenzaun entlang und hat nichts beschädigt. Wenigstens nichts menscheneigenes.

Ich ging also zu Ann und bot ihr meine Hilfe mit der Motorsäge an. Zunächst aber war ich erschrocken, wie sie aussieht. Sie ist alt geworden. Ann war immer schick, aber sie raucht auch viel. Trinkt wohl eher mäßig. Klar fragt man ja hier immer, wie geht es. Bekommt auch standardmäßig die Antwort, alles gut. Aber diesmal erzählte Ann doch etwas mehr. Zunächst einmal, Eddie ist tot! Gestorben an Corona. Sie war als erste infiziert, hat Eddie angesteckt, der kam 7 Tage später ins Krankenhaus und starb nach weiteren 19 Tagen. Ann war nicht so schwer erkrankt, dass sie ins Krankenhaus musste, aber sie ist noch heute geschwächt und hat viele Probleme. Damit ist sie tatsächlich die erste Person in meinem Bekanntenkreis, nach 18 Monaten Pandemie, die krank ist oder wo sogar jemand gestorben ist. Ich hatte tatsächlich vorher noch niemanden persönlich gekannt.

Klar habe ich Ann gefragt, ob sie geimpft war. Die Antwort konnte ich mir natürlich selbst geben. Als glühende Trump-Fans waren sie selbstverständlich beide nicht geimpft. Tja, was soll man da sagen.

Man greift zur Motorsäge und schafft den Baumstamm beiseite. Wie schon zuvor angedeutet, ist durch das Umfallen kein Mensch zu Schaden gekommen, aber es haben doch etliche Lebewesen ihr Heim verloren. Dieser tote Baumstamm war sehr beliebt bei den Vögeln, die sich darin ihr Nest gebaut haben. Und auch ein Bienenvolk betrachtete es als seine Heimat. Nun fliegen sie völlig verwirrt herum und versuchen, die Situation zu meistern.

Bike Trails

Manche Leute reisen, weil sie reisen wollen. Fremde Länder anschauen, die Sehenswürdigkeiten abklappern. Das war nie mein Hauptziel. Ich will mich in diesen Ländern auch zuhause fühlen, will gebraucht werden, eine Aufgabe haben. Vielleicht weil ich in meinem Alltagsleben zuhause zu wenig um mich habe, wo ich gebraucht werde? Zum ersten mal habe ich dieses Gefühl bekommen in Tunesien; die Leute dort, die ich getroffen habe, brauchten mich. Das war ein schönes Gefühl. Und es hat sich noch verstärkt in Marokko. Und als ich dann Reiseführer über diese Länder schrieb sowieso. Das war schön. Jemand, der sich um mich sorgte, und sei es auch nur, weil es ihnen Vorteile brachte. Das ist doch legitim.

In Florida werde ich auch gebraucht. In erster Linie von meinem Haus und Garten. Das ist so altersschwach und verwildert, dass es mich sogar dringend braucht. Das macht Spaß. Das gibt mir einen Grund zu leben. Manchmal kann ich sogar deutschen Freunden nützlich sein, die auch hier ein Haus haben, aber nicht so oft vor Ort sein können.

Aber so richtig schön wird es erst durch die Bike Trails. Hier habe ich meine Aufgabe gefunden. Es entstand zunächst dadurch, dass ich selbst ein Buch gesucht habe, das mir einen Einblick in die wunderbaren Trails gibt, zeigt, wo ich sie finde. Ich wurde enttäuscht. Was auf dem Markt ist, ist alt und sehr ungenau. Ja, es gibt Internetseiten über die Trails, auch Apps. Und dennoch ist nie etwas dabei, das meine Bedürfnisse deckt.

Die Konsequenz ist natürlich, so etwas selbst zu schreiben. Das macht Spaß. Aber natürlich sollte man es auch verkaufen können und nicht mit dem einzigen Exemplar seiner Art herumfahren. Hin und wieder treffe ich mal einen Radfahrer, dem ich eins verkaufen kann, aber das bringt es nicht.

Nun muss ich auch sagen, dass dieses Buch nur die Trails in einem sehr engen Umfeld beinhaltet, nämlich so im Dreieck Daytona Beach – Orlando – Palatka. Aber ich habe drei Bike Shops gefunden, die das Buch verkaufen wollen. Nur drei, obwohl es deutlich mehr gibt, aber die wollen nicht. Und mit diesen dreien läuft es richtig gut. Ich habe schon etliche hundert verkauft, was für ein so begrenztes Umfeld sehr viel ist.

Aber nun gibt es ein neues Projekt, und wie immer macht mir das Spaß. Der Shop in DeLand, wo immerhin viele meiner Radler wohnen, wollte das Buch nicht verkaufen, weil ich darin die Visitenkarten der anderen Bike Shops abgebildet hatte. Das wären seine Konkurrenten, das könnte er nicht verkaufen. Wobei es die anderen nie gestört hatte, im Gegenteil, sie fanden es gut. Doch das zehrte an mir, das ärgerte mich, gerade weil um DeLand so viele Radwege sind und so viele Radler wohnen.

Und da kam mir eine Idee. Meine Auflagen sind ja sowieso sehr gering und der Druckpreis ist nicht so verschieden, ob ich nun 50 oder 100 drucke. Also schlug ich JC vor, eine Extra Auflage nur für seinen Shop zu drucken, natürlich mit dem Hinweis auf seinen Laden. Und das gefiel ihm. Gefiel ihm sogar so sehr, dass er vorschlug, mir mehr pro Buch zu zahlen, der Überschuss aber an

St. Johns River to Sea Loop

https://www.river2sealoop.org/

geht. Das ist ein Verein, der sich um den Ausbau der Trails hingebungsvoll kümmert. Und so ist die Extra-Auflage für JC’s Bike Shop nun im Druck und wird noch vor Weihnachten dort bereit liegen.

http://www.bikingflorida.mobilunterwegs.eu/

Airfryer yes or no

In den Geschäften werden hier haufenweise Airfryer angeboten. Zunächst wusste ich nicht, was das ist. Die Recherche ergab, dass man damit zum Beispiel Pommes ohne Öl braten kann. Auch Hähnchen und so. Irgendwie meinte ich, ich brauche so ein Ding. Sind auch nicht mal teuer. Der Preis geht von 40 $ bis knapp über 150 $, aber Nachbarin Melanie meinte, so ein tolles Ding mit lauter Spielereien braucht man nicht, ein einfacher reicht. Das Nachteil ist natürlich, dass man ein weiteres ziemlich großes Teil in der Küche herum stehen hat.

Tagelang ging der Airfryer in meinem Kopf herum. Bis ich ihn endlich gekauft habe. 50 $ für einen mittelgroßen mit digitaler Anzeige, das geht. Heimgebracht und den Karton in die Ecke gestellt. Konnte mich einfach nicht aufraffen, ihn auszupacken. Nach Tagen dann immerhin den Karton geöffnet und das Kochbuch heraus geholt. Ja, man kann leckere Dinge damit zubereiten. Aber das zentrale Gut sind doch die Pommes, die man ohne Öl machen kann.

Deshalb stelle ich mir die Frage: wie oft isst du Pommes? Antwort: nie! Wie oft gegrilltes Hähnchen? Antwort: Nie!

Schließlich habe ich das gute Stück ausgepackt und auch eine Ecke gefunden, wo es recht wenig stört. Aber weiterhin überlegt: was kann ich darin machen. Man soll backen können. Aber die Grundfläche zu klein für jede Backform. Ja wozu, zum Donnerwetter, brauche ich also das Ding. Um ab und zu ein überbackenes Gericht zuzubereiten? Das kann ich doch auch im Backofen. Und das Hauptargument des Fryers, Öl zu sparen, trifft hier nicht zu, denn dafür brauche ich kein Öl. Koche sowieso sehr sparsam mit Öl.

Ergebnis: Gleich heute früh habe ich das gute Stück zurück gebracht, das Geld einkassiert und werde es nun in einen neuen Gasgrill investieren,der alte fällt auseinander. Und das ist ein Teil, das wirklich oft eingesetzt wird.

Heute gab es dann überbackene Süßkartoffel ganz ohne Airfryer.

Limoncello

Das Wetter hier in Florida ist noch immer sommerlich warm. Aber dennoch zieht ab und zu ein Tief übers Land, so wie heute. Das ist nicht schlimm, denn wir brauchen auch mal Regen und morgen ist es wieder schön. Deshalb habe ich den Tag mal zum Kochen genutzt. Heute Morgen als erstes Brot gebacken. Zwei, drei Wochen kann ich mal zum Frühstück Bagels essen, aber dann brauche ich richtiges deutsches Brot. Mein Lieblingsrezept mit den hier erhältlichen Zutaten ist ein Hefeteig mit Weizenvollkornmehl, dazu geriebene Karotten, Leinsamen und Sonnenblumenkerne. Heute gab es zwei Brötchen und zwei Laibe, die werden in Scheiben geschnitten und jeweils zwei in einem Beutel eingefroren. Und selbstverständlich werden die schönen Reißverschlussbeutel wiederverwendet. Ich brauche kein Friday for Future, um sparsam mit Ressourcen umzugehen. Das habe ich bereits als Kind gelernt und mein ganzes Leben beibehalten. Jeden Morgen gibt es dann zwei Scheiben Brot, mehr Brot brauche ich nicht am Tag, so reicht das eine Weile.

In dem schönen Hotel in der DomRep gab es ein gutes italienisches Restaurant, das Tartufo. Dort hat man als Amuse Gueule eine Art Parmesan Paste gereicht zu kleinen Brötchen. Die war so köstlich, deshalb habe ich versucht, sie nachzumachen. Parmesan gerieben, eine Knoblauchzehe dazu und das ganze mit Olivenöl verrührt. War sehr lecker, eigentlich noch besser als im Tartufo. Ich vermute, die nehmen nicht so hochwertige Zutaten, denn Parmesan wäre ja auch zu teuer.

Und schließlich habe ich mich dann an Limoncello versucht, dem italienischen Zitronenlikör. Freund Uwe hat ja Zitronen im Garten, die ich pflücken darf, er selbst ist zurück in Deutschland. Es gibt viele verschiedene Rezepte dazu, ich habe mir eins ausgesucht, das nicht so kompliziert ist. Eigentlich nur Zitronensaft mit Zucker aufgekocht, Zitronenschale dazu und Alkohol. Ich habe Gin genommen, da er am billigsten war. Gin schmeckt ziemlich neutral, das ist wichtig. Nun muss der Sud aber einige Wochen stehen bleiben, bin mal sehr gespannt, wie es schmeckt. In Taunusstein habe ich kürzlich Brombeerlikör gemacht. Muss aber zugeben, dass er sich nicht lange hielt, er war einfach zu köstlich.

Deutschland rettet die Welt

Gut, nun sind die Grünen also mit in der Regierung. Zum Glück nicht alleine und nicht mit so hoher Prozentzahl wie teilweise erwartet. Gut, dass die FDP dabei ist. Ich oute mich mal, ja, ich bin FDP-Wähler. Ich betrachte mich selbst als liberaler, toleranter, freiheitsliebender Mensch. Wenn ich auch nicht in jedem Punkt mit der FDP übereinstimme, so trifft diese Partei doch die meisten meiner Wünsche. Das ist schon länger so, aber sehr erstaunt war ich nach der Wahl, wieviele andere Menschen, und vor allem Junge, diesmal die FDP gewählt haben.

Nun aber zu dem Grünen bzw. zur Klimakrise. Ich streite es nicht ab, sicher muss etwas getan werden. Ich wehre mich aber dagegen, dass es immer so hingestellt wird, als müsse Deutschland ganz alleine die Welt retten. Sicher sind wir ein wichtiges Land, aber doch ein sehr kleines Rädchen im Weltgefüge. Sehr viel bedeutender ist da meine Zweitheimat USA. Und es gibt kein Land, das so viel Müll produziert wie die USA. In allen Bereichen, aber am meisten stört es mich beim Essen. Neulich übernachtete ich in einem Hotel. Zum Frühstück war wirklich alles aus Plastik, Becher, Teller, Besteck. Hier werden täglich Unmengen von Müll produziert. Und auch beim Autofahren wird nichts eingeschränkt. Verbot der Verbrennermotoren? Aber nicht doch. Wenn ich könnte, ja, ich würde sofort auswandern. Darf aber nicht.

Sehr loben möchte ich dagegen die Dominikanische Republik. Sicher ist hier auch nicht alles perfekt. Neulich fand ich abseits eines öffentlichen Strandes eine riesige Ansammlung von Abfall. Der wird bei der nächsten Flutwelle ins Meer gespült. Aber die Hotels, super! Keinerlei Plastik. Am Pool gibt es die Getränke in wiederverwendbaren Plastikbechern, aber Mitarbeiter gehen herum und durchsuchen die Papierkörbe, ob sie jemand unwissentlich weggeworfen hat. Und während es im März noch Strohhalme gab sind die nun auch gestrichen. Manche Drinks sind etwas schwer ohne Strohhalm zu trinken, also werde ich mir das nächstemal einen wiederverwendbaren mitbringen.

Florida oder Marokko

Meine Leser der Marokko-Reiseführer sind erstaunt, dass ich in Florida bin und nicht in Marokko. Deshalb möchte ich das mal ein wenig erklären. Im letzten Jahr, als Covid gerade ausbrach, hatte Marokko sehr schnell seine Grenzen geschlossen, keiner durfte rein noch raus. Da es März war und noch Saison für die Wohnmobilfahrer waren diese richtig traumatisiert. Schließlich konnten sie mit Sonderflügen das Land verlassen, aber das Wohnmobil musste stehen bleiben. Das ist ein lang anhaltender Schock. Und ganz klar ist es nun, dass keiner mehr so richtig Marokko traut. Es zeigt sich ja gerade wieder. Nach langer Zeit waren endlich wieder Flüge erlaubt, gestern wurden sie wieder gestrichen. Das Land blockt sich ab und man kann nicht planen.

Das führt natürlich auch dazu, dass ich keine Bücher mehr verkaufen kann. Das Lager ist voll und an eine neue Auflage absolut nicht zu denken. Wer sollte sie auch kaufen. Mein Plan war daher, in diesem Winter in mein geliebtes Florida-Heim zu fahren und im Frühjahr vielleicht nach Marokko. Aber das werde ich erst später nach Sachlage entscheiden.

Es kommt noch etwas anderes hinzu. Hier in Florida gibt es so gut wie keine Covid-Maßnahmen mehr, das Leben ist zurück auf normal. Wer eine Maske tragen will zum eigenen Schutz kann dies tun, wer dies nicht möchte lässt es, und das sind die meisten. Nur noch in öffentlichen Gebäuden werden Masken verlangt und das ist ziemlich pervers, da ja gerade der Gouverneur von Florida gegen Masken ist. Er hat nun einige Schulen verklagt weil die einen Maskenzwang hatten.

Aber das interessiert mich überhaupt nicht, das müssen die mit sich ausmachen. Mir ist wichtig, dass es wieder ein normales Leben gibt. In den Geschäften sind seit dem Sommer auch die Umkleidekabinen wieder geöffnet. Das Personal in großen Geschäften trägt aber meist eine Maske. Und die Restaurants sind voll und auch Feste können in vollem Umfang stattfinden. Ja, das ist meine Lebensart, hier fühle ich mich wohl.

Sanford

In Deutschland habe ich es nicht mehr geschafft, die Grippeschutzimpfung zu bekommen. Deshalb wollte ich das in Florida nachholen. Meine Walgreen Apotheke, die mir auch die Coronaimpfung gemacht hat, verlangte 35 $. Doch dann sah ich im TV die Ankündigung, dass an einigen Orten kostenlose Impfungen stattfinden für alle die Unversicherten, und heute sollte eine in Sanford sein. Sanford ist etwa 55 km entfernt und nur zum Impfen wäre es etwas umständlich. Aber ich kann das gut mit anderen Dingen verknüpfen, gibt es doch dort zum Beispiel auch schöne Biketrails.

Flu Shot

Zunächst ging es also zum Bike Shop Pedal Driven im Zentrum. Ab und zu hat man mir dort einige wenige Exemplare meines Fahrradführers abgekauft, aber so richtig gut ging es dort nicht. Ich zeigte mein Buch und man rief den Chef an, es gab einen Besitzerwechsel. Der war durchaus interessiert, wollte das Buch aber zunächst sehen. Daraufhin kaufte mir der Mitarbeiter sofort eins ab, er war ganz geil darauf und ich gab meine Telefonnummer. Mal sehen, ob ich angerufen werde. Dann machte ich mich auf die Suche nach dem Centra Care, wo die Impfung ab 14 Uhr stattfinden sollte. Und tatsächlich, viele Zelte waren aufgebaut, noch einige Minuten vor 14 Uhr, aber ich kam sofort dran. Musste nur einen Zettel auffüllen mit Name und Geburtsdatum und schon war die Spritze im Arm. Das ging fix.

Cross Seminole Trail

Direkt hinter der Impfstation begann ein Biketrail, da es der Rinehart Boulevard ist, dachte ich, es ist der Rinehart Trail aus meinem Buch. Erst nach einigen Kilometern, bei denen ich absolut nichts wiedererkannte, stellte ich fest, anhand der wirklich deutlichen Beschilderung, dass ich auf dem Cross Seminole Trail unterwegs bin. Schon wichtig, wenn ich darüber etwas schreiben will. Ich konnte also sehr gute Infos bekommen und machte mich auf den Rückweg. Allerdings ging es zunächst in die Mall, denn Sanford hat riesige Einkaufszentren. Dort allerdings tote Hose, absolut nichts los. Trotzdem fand ich in meinem Lieblingsladen Ross wieder etwas schönes.

Nun sollte es aber heim gehen, ich war müde und hungrig. Rad wieder aufs Auto gepackt und ab auf die Autobahn I4. Doch dort war Stau. Ich also raus. Und mich geärgert. Denn erstes konnte ich gerade noch sehen, dass sich der Stau auflöste und zweitens waren es mehr Kilometer über die Landstraße. Sauer. Ich fuhr am schönen Lake Monroe in Sanford vorbei und stoppte erst mal an einer Bank, in der Fahrradtasche hatte ich noch ein kleines Stärkungsmüsli. Den Nerven ging es nun besser und ich hörte in der Ferne Musik. Das muss ich ergründen. Und stellte fest, dass sich etliche Jugend-Musikgruppen aufgestellt hatten zu einer Parade. Startpunkt war genau der Moment wo ich eintraf. Danke für die Umleitung, das passt. Eine Menge junger Leute, eine Menge Zuschauer am Straßenrand, aber was ist nur los. Keine Faschingsparade im Oktober, kein Unabhängigkeitstag und auch kein Weihnachten. Also fragte ich die Umstehenden: Homecoming!

Gut, den Begriff habe ich schon gehört. Aber wirklich etwas darunter vorstellen kann ich mir nicht. Was sagt Mr. Google?

Homecoming

Homecoming ist eine jährliche Tradition an Universitäten, High Schools und Colleges in den USA, wenn das Footballteam der Schule nach 2 oder 3 Auswärtsspielen zum ersten mal wieder ein Heimspiel hat. Das ist meistens nach ein paar Wochen Saison im Oktober. Der Homecoming Ball ist normalerweise gleich nach dem Spiel in der Sporthalle oder am nächsten Tag. Bei diesem festlichen Anlass wird üblicherweise im späten September oder Anfang Oktober zu Ehren ehemaliger Schüler und Universitätsangehöriger ein Bankett oder ein Football-, Basketball- oder Eishockeyspiel oder ähnliches ausgerichtet. Anders als Prom und Senior Ball ist Homecoming Ball für alle Jahrgangsstufen, man sieht also auch viele Freshmen. Oft wird auch eine Parade durch die Straßen der Stadt abgehalten und ein Ball veranstaltet, als dessen Höhepunkt eine Homecoming Queen, eine Ballkönigin (und oft auch ein Homecoming King) gekrönt wird, sei es aufgrund von Beliebtheit, Schönheit oder Verdiensten um die Schule.

Und so komme ich also zum ersten mal in meiner USA-Zeit in den Genuss, eine solche Parade zu sehen. Musikkapellen spielen, die Cheerleader tanzen und die Queens und Kings der einzelnen Schulen werden in wunderschönen Cabrios dazwischen gefahren, Bonbons werden geworfen. Die ganze Parade in Sanford ist gerade mal 1.000 m lang, denn im Zentrum, vor dem berühmten deutschen Restaurant Hollerbach, steigen alle schon wieder aus. Die Musik geht aber weiter, es ist richtig was los.

Was ist das doch wieder ein schöner Tag, so richtig rundum gelungen. So etwas kann ich in Taunusstein nicht erleben.

Und hier die Parade:

Alberto

Am nächsten Tag laufe ich nochmal in den Ort, um Albrecht zu treffen und ein wenig über Land und Leute zu erfahren. Ich bringe ihm ein paar Dosen Bier aus meiner Minibar mit und wir trinken eines zusammen. Wie schon gesagt, er bietet Ausflüge an, die sicher sehr schön sind, weil sie direkt zu den Einheimischen gehen, aber ich möchte keinen machen. Stattdessen zeigt er mir die lokale Zigarrenmanufaktur. Das ist echt interessant. Die dominikanischen Zigarren sind zwar nicht so berühmt wie die aus Kuba, aber genauso gut. Wer in Begleitung vom Alberto hier etwas kauft bekommt viel über die Hintergründe erzählt und Alberto erhält danach eine kleine Kommission. Nachdem ich herausgefunden hatte, dass meine Maniküre französisch spricht hatte ich sie natürlich auch gefragt, ob sie an Alberto Kommission zahlen musste. Ja muss sie.

Inzwischen habe ich im Hotel Gabi getroffen, diese wirklich tolle Frau, die ich nur zu gerne dauerhaft in meiner Nähe haben möchte. Warum nur wohnen die wirklich netten Menschen immer so weit weg, hier in Alabama. Wir leeren unsere Minibar, ich sammele sogar Red Label Jonny Walker ein und mit schwerem Rucksack laufen wir zu Albrecht. Auch Gabi möchte den Zigarrenladen sehen, kauft sogar etwas, dann sagt Albrecht, trinken wir doch ein Bier zusammen. Gerne, so hatte ich das auch geplant. Doch zu meiner Bestürzung führt uns Albrecht in ein lokales Cafe, genau das, wo er auch unsere Beute in den Kühlschrank gestellt hat, schlägt aber vor, eine der großen dominikanischen Flaschen Bier zu kaufen und uns die zu teilen.

Ich bin entsetzt. Sage gar nichts mehr. Gabi unterhält sich nett mit ihm, sie hat auch das Bier bezahlt. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich es nicht zur Sprache bringen würde. Ich war so sauer auf den Alberto, schwor mir, nie wieder dorthin zu gehen und ihm erst recht keine Kunden zu bringen. Wir verließen das Cafe und in einem ruhigen Moment sprach ich ihn darauf an. Ich vergleiche das Land oft mit meinen marokkanischen Erlebnissen und hier hätten die Jungs alles abgestritten. Aber Albrecht überraschte mich. Er sagte einfach die Wahrheit. Sagte dass er absolut blank sei, irgendwie um sein Überleben kämpfen muss und seine Taschen völlig leer seien. Selbst für die Flasche Bier würde er ein paar Pesos Kommission bekommen, die er einfach braucht, um weiter zu leben.

Ich war sehr betroffen. Und er verdient meinen Respekt, dass er das so offen sagt. In den folgenden Tagen brachte ich ihm noch Kundschaft, aber nur wenig, weil Gabi einfach die kommunikativere von uns war und inzwischen abgereist ist. Aber Alberto bedankte sich herzlich und ich freue mich, dass ich ihm doch ein wenig helfen konnte. Auch appelliere ich an alle, die in die Region kommen. Geht zu ihm, er ist sehr nett, ihr könnt viel über das Land erfahren und er haut euch nicht über Ohr.

Lokal shoppen

Wenn ich auch in meinem bisherigen Leben die Reisetante war, die, die ins Land eintauchen will und es von innen heraus kennenlernen wollte, so war dies in der DomRep nicht so. Das letztemal habe ich es damit entschuldigt, dass ich zu Hause von einem Jahr Corona geschädigt war und einfach nur meine Ruhe haben wollte. Hatte sogar einen Mietwagen für eine Woche und bin nur zweimal damit gefahren. Es war mir einfach nicht danach. Diesmal habe ich erst gar kein Auto gemietet, bin einfach zufrieden in diesem  schönen Hotel.

Doch gibt es hier in einem 30 minütigen Strandspaziergang ein kleines Dorf. Dort hat man sich natürlich ganz auf die Touristen eingestellt, es gibt eine Souvenirboutique nach der anderen mit Bildern, Schmuck, farbenfrohen karibischen Kleidern und vieles mehr.

Nichts davon brauche ich. Mein Zuhause ist voll mit wunderschönen Mitbringseln aus Marokko, da ist einfach kein Platz für die Karibik. Außerdem bin ich ja auch nicht hier, um das Land kennenzulernen, sondern einfach nur, um die Zeit abzusitzen bis zur Einreise nach Florida. Und dafür gibt es wahrlich schlechtere Orte. Das Hotel ist wunderschön, aber was es ausmacht, ist vor allem das Personal. Es ist sehr, sehr freundlich. Natürlich freuen sie sich über ein Trinkgeld, aber das ist nicht alles. Auch ohne sind sie sehr, sehr lieb. Heute beim Lunch habe ich mich hingesetzt, die junge Kellnerin kam sofort und fragte: Champagner? Nur weil ich gestern welchen bestellt hatte. Nie zuvor war ich in einem All-Inclusive Hotel, aber ich muss sagen, es ist schon schön.

Aber, man kann es nicht verleugnen, die Insel besteht nicht nur aus den Hotels. Es gibt auch Menschen, die hier leben und vor allem, die ihr Leben bezahlen können wollen. Die meisten Touristen setzen keinen einzigen Fuß aus dem Hotel heraus und wenn, dann mit einer im Hotel angebotenen Tour.

Ich bewege mich gerne und so brach ich schon im März beim ersten Aufenthalt auf in das kleine Dorf, es liegt gut 2 km entfernt und der beste Zugangsweg läuft entlang des Strandes. Beim letztemal fand ich schließlich eine Dame, die mir recht gute Maniküre und Pediküre bot. Das wollte ich wieder, zusammen mit meiner Enkelin. Doch wir fragten überall, jeder kannte zwar Anita, doch sie ward schon lange nicht mehr gesehen. Dann traf ich auf Alberto. Das ist ein Deutscher, der eigentlich Albrecht heißt, was aber hier kein Mensch aussprechen kann. Er sitzt einsam vor seinem Laden und wartet auf Kunden, denen er Ausflüge anbieten möchte. Außerdem arbeitet er mit einer lokalen Zigarrenmanufaktur zusammen und bekommt dort Kommission für alles, was in seiner Begleitung eingekauft wird.

Traurig zu sagen, dass ich absolut nichts brauche. Außer dieser Maniküre und Pediküre. Da Anita nicht da ist empfiehlt Alberto mir eine andere junge Dame. Sie hat einen kleinen Souvenirladen gegenüber von Albertos Geschäft und die Beiden arbeiten zusammen. Wir nehmen an. Okay, so gut wie Anita ist sie nicht. Ich sitze schon über eine Stunde hier, kann mich nicht mit ihr verständigen, da ich kein Spanisch spreche, Albrecht muss übersetzen. Und dann plötzlich erfahre ich, dass die Dame aus Haiti stammt. Damit ist das Eis gebrochen, wir reden Französisch miteinander. Fast die ganze Shopping Meile ist in haitischen Händen und so steht der Kommunikation künftig nichts mehr im Wege.