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Impfen

Ich möchte hier keine Position einnehmen für oder gegen Corona, sondern einfach mal schildern, wie die Situation um mich herum im Augenblick ist. Ich nehme schon seit einigen Monaten teil an einer Studie und muss regelmäßig einen Fragebogen ausfüllen, wie es mir geht, ob ich getestet, geimpft wurde oder an Corona erkrankt bin. Gestern nun gab es in diesem Zusammenhang eine Telefonkonferenz mit weiteren Fragen. Dabei wurde ich gefragt, ob ich bereit sei, mich für die Studie testen zu lassen.

Diese Frage hat mich erstaunt bzw. zum Nachdenken gebracht. Bisher wurde ich genau 3x getestet. Zweimal im Zusammenhang mit einem Flug in die USA, einmal vor einer OP im Krankenhaus in Deutschland. Bisher dachte ich, in meinem sicheren Umfeld lebend, ich brauche mich nur dann zu testen, wenn ich mich krank fühle oder Symptome habe, die auf Corona hinweisen.

Diese Frage aber hat mir zum Bewusstsein gebracht, dass im Moment in Deutschland testen alles ist. Natürlich schaue ich mir Nachrichtensendungen an, weiß von der 3 G Regel oder 2G+. Aber irgendwie habe ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Ja, es scheint so, dass man sich in Deutschland ständig testen muss. Wohin man auch gehen möchte.

Aber ich bin in Florida. Hier gibt es an jeder Ecke und in jeder Nachrichtensendung die Aufforderung, sich impfen zu lassen. Und wenn man das tatsächlich tun möchte hat man so viele Impfstellen, dass man sie kaum zählen kann und bekommt innerhalb einer Stunde einen Termin dafür. Nicht so beim Testen. Ja, es ist mir irgendwann mal ein Hinweis aufgefallen, dass zum Beispiel beim Drogeriemarkt Walgreens ein Testen im Drive-in möglich ist. Testen ist hier für nichts vorgeschrieben, testen lassen sich vermutlich nur Menschen, die glauben, sie sind krank. Ich jedenfalls treffe keine, die sich testen lassen. Warum diese Unterschiede? Wir hatten im Spätsommer auch einmal hohe Infektionszahlen, im Augenblick sind sie niedrig.

Was hier aber getestet wird ist das Wasser der Ableitungsrohre. Und dort fand man die Omikronvariante, auch in Florida und ganz in meiner Nachbarschaft. Also nicht an einem Menschen, sondern im Abwasser.

Wie schon zu Beginn gesagt, ich will hier keine Einordnungen treffen, einfach nur berichten, wie die Lage bei uns ist. Wenn man mich aber fragt, wo ich am liebsten wäre in dieser Situation. Ganz klar, hier in Florida. Wir leben das ganz normale freiheitliche Leben.

In den Händen des Jihad

Jihad meint wörtlich „Bemühung“ oder auch „Anstrengung“. Die islamische Tradition kennt sowohl den „kleinen Jihad“ als auch den „großen Jihad“: Der „kleine Jihad“ ist kriegerisch. Er beschreibt den kämpferischen Einsatz zur Verteidigung oder Ausdehnung des islamischen Herrschaftsgebiets. Von militanten Gruppen wird der Jihad häufig als religiöse Legitimation für Terroranschläge oder Befreiungskämpfe verwendet.

Aber heute habe ich mich ganz freiwillig Jihad ausgeliefert. Denn es ist auch ein Name für Männer und so heißt der junge Flight Instructor auf dem Airport von New Smyrna Beach, dem ich mich nun anvertraue. Denn ich möchte mir selbst einen Wunsch erfüllen und mich in die Luft begeben. Mit ihm.

Im Jahr 1997 habe ich in Daytona Beach meinen Flugschein für einmotorige Maschinen gemacht und bin fünf Jahre lang sehr viel geflogen. In Florida und in Deutschland. Doch das endete 2002, seit dem habe ich keine Controls mehr in Händen gehabt. Und als ich neulich nahe dem Daytona Flughafen die kleinen Maschinen hereinkommen sah zur Landung, da regte sich einfach mal wieder der Wunsch, selbst in die Luft zu gehen.

Viel, sehr viel hat sich geändert seit 1997. Damnals ging es nicht nur sehr locker zu auf einem Flugplatz, es war auch viel billiger. Damals habe ich pro Trainingsstunde mit Instructor 68 $ bezahlt, heute kostet es 158 $. Und die Sicherheitsvorkehrungen sind groß. Man kann nicht mehr einfach so auf die Runway spazieren, wie das damals war, alles ist umzäunt und abgesichert. September 11 hat da sehr viel geändert.

Aber auch die Maschinen. Ich hatte mein Training damals immer in einer zweisitzigen Cessna 152 mit sehr einfacher Ausrüstung, natürlich kein GPS. Heute habe ich eine super ausgerüstete Cessna 172, die sogar einen Autopiloten hat. Und keine kleine Flugschule, die aus einem Büro und einem Hangar besteht, sondern eine Flight Academy, wo die Piloten in weißen Hemden herumlaufen und einem Laden, wo man seinen ganzen Flugbedarf kaufen kann. Damals mussten wir zum Laden der Embry Riddle University gehen.

Und dann kommt Jihad. Er war mir sofort sympathisch. Er ist in USA geboren, aber die Familie stammt aus Dubai. Sehr nett und verständnisvoll. Da ich als Pilotin nicht „current“ bin darf ich eigentlich nicht links auf der Pilotenseite sitzen. Aber natürlich setzt er mich sofort dorthin. Keine Panik, er kann natürlich die Maschine auch komplett von rechts bedienen.

Und schon während wir zur Startbahn rollen, nein, eigentlich schon beim Precheck, merke ich, wie viel ich vergessen habe, bzw. wie viel sich inzwischen geändert hat. Er bietet es mir an, aber nein, ich will den Start nicht selbst durchführen und auch später nicht die Landung. Aber in der Luft drehe ich munter meine Turns so wie er es ansagt, und wir haben Spaß. Wir fliegen sogar über mein Wohngebiet, immerhin Charley Airspace von Daytona, wofür wir eine extra Erlaubnis brauchen, und ich kann paar Fotos machen.

Danke Jihad, einen solchen Jihad nehme ich gerne in Kauf.

Ein Postpaket auf Reisen

In Coronazeiten träumen sicher viele vom Reisen und müssen doch zu Hause bleiben. Einer schafft es, bzw. eines. Nämlich mein Postpaket. Am 11. November wurde es in Wiesbaden aufgegeben und erreicht schon 2 Tage später den Flughafen Frankfurt, sind ja immerhin 35 km. Dort hatte es ausführlich Zeit, sich die landenden und abfliegenden Flugzeuge anzuschauen und darauf zu hoffen, dass es endlich in einem einen gemütlichen Platz erhält.

Das muss dann gelungen sein, denn am 1. Dezember traf es tatsächlich in New York ein. Konnte sich aber nicht die Stadt ansehen, sondern musste erst zum Zoll in New Jersey, wo es am 4. Dezember abgefertigt wurde. Am 7. Dezember machte es sich dann auf den Weg nach Florida, dem Zielbundesstaat, dieses Paket liebt genau wie ich die Sonne. Dann folgte ein wirklich aufregender Tag, denn am 8. Dezember kam es in Orlando an (80 Meilen vom Ziel), wurde sofort weiter geleitet nach Jacksonville (100 Meilen vom Ziel), wo es noch am frühen Abend eintraf.

Dazwischen muss man allerdings einschieben, dass die Empfängerin bereits am 6. Dezember die Mitteilung bekam, das Paket würde am 6. Dezember eintreffen, eine völlig wirklichkeitsfremde Aussage. Dennoch war die Empfängerin guten Mutes, dass das Paket doch vielleicht bald eintrifft.

Am 10. Dezember dann aber die überraschende Mitteilung, dass sich die Sendung auf dem Weg nach Miami befindet, wo es tatsächlich am 11. Dezember eintrifft. Miami ist ja auch eine interessante Stadt, wenn auch 280 Meilen vom Ziel. Aber Florida bietet noch viele schöne Örtlichkeiten und ich glaube, erst wenn mein Paket sich all diese angeschaut hat, wird es endlich in Daytona Beach ankommen. Falls es nichts Besseres findet.

Drink am Abend

Am Abend im Hotel sollte ich mich hinsetzen und die neuen Informationen aufschreiben. Aber so richtig habe ich keine Lust, da fehlt noch was. Nein, kein Abendessen. Gestern war ich bei Sonny’s BBQ und bekam so viel, dass ich heute mit dem Doggie Bag total satt wurde. Aber ich hatte Lust auf einen Drink. Das Schöne an meinem Hotel ist ja wirklich, dass ich vieles zu Fuß erreichen kann. Restaurants und meine Lieblings-Shopping-Läden. Und auch Chili‘s. Eigentlich ein Restaurant, aber man kann sich auch nur an die Bar setzen und was trinken.

Natürlich einen Margarita Presidente. Den kenne ich von vor langer Zeit. Zum Glas Margarita bekommt man noch einen Shaker voll mit Nachschlag. Richtig gut. Und da sitze ich nun, schaue mich um und denke. Ein Mann setzt sich vier Stühle neben mich. So ganz unauffällig rutscht er immer einen Stuhl weiter zu mir. Ich liebe es ja, True Crime zu schauen. Also Kriminalfälle, die wirklich passiert sind. Wo Leute (Frauen!) in der Bar sitzen und auf dem Nachhauseweg überfallen werden. Verschleppt und stundenlang vergewaltigt, bevor man sie tot auf der Müllhalde ablegt.

Naja, zum Glück habe ich ja keine Angst. Weder vor den Alligatoren noch vor Serienkillern. Aber vorsichtig bin ich schon. Auf dem 500 m langen Heimweg blicke ich mich ständig um. Wenn mich wirklich jemand überfallen würde, wäre auf einer Seite eine sechsspurige, viel befahrene Straße, die so viel Krach macht, dass man meine Schreie nicht hört. Auf der anderen Seite Läden, die längst geschlossen sind, und dahinter freie Landschaft.

Ach, ich liebe es einfach zu verreisen, es ist immer abenteuerlich, auch wenn man sie sich nur ausdenkt.

Lake Apopka North Shore Loop

Im Februar 2020, kurz bevor Corona um die Welt ging, war ich in Apopka, um die schönen Bike Trails hier zu recherchieren. Und stieß auf den North Shore Loop, den ich aber zeit- und kraftmäßig leider nur zur Hälfte fahren konnte. Und seitdem stand dieser Loop auf meiner Wunschliste, denn er ist in meinen Augen der schönste, den Central Florida zu bieten hat. Es ist ein Wildlife Drive durch ein Naturschutzgebiet mit unzähligen Vogelarten, aber auch dicken fetten Alligatoren.

Lake Apopka Wildlife Drive

Im Grunde fahre ich nur bis zu 30 – 35 km pro Tag, da ich ja doch schon eine ältere Dame bin und hier kein eBike zur Verfügung habe. Es war klar, der Loop ist länger, aber ich habe ja auch den ganzen Tag. Dazu etwas Obst, es wird schon gehen.

Bloß, zu Beginn kam ich einfach nicht weiter. Schon gleich am Anfang lagen dicke fette Alligatoren am anderen Ufer in der Sonne und ließen sich wärmen. Und die Vögel! Einer schöner als der andere. Zwar habe ich tatsächlich schon alle Vögel selbst fotografiert, die man in Central Florida so sehen kann, und auch schon ein Buch darüber gemacht, aber trotzdem musste ich immer mal anhalten, weil es einfach doch wieder ein schönes Motiv gab.

Es waren sehr, sehr wenige Menschen unterwegs und überhaupt keine Radler. Die kommen alle eher am Wochenende. Wenn mir hier etwas passiert bin ich auf mich selbst gestellt, und nein, ich habe kein Flickzeug dabei. Nur den schon vielfach genutzten Schutzengel. Am alten Pump House sitzen zwei Männer mit dickem Teleskop und warten auf Vögel, den fetten Alligator, der gleich daneben liegt, haben sie noch nicht mal bemerkt. Ist nicht in ihrem Beuteschema. Doch frage ich sie, ob sie mich mal vor dem Gator knipsen können.

Mein Ziel ist der Green Mountain, Endpunkt des Trails. Ein Berg in Florida? Ja doch, ganze 41 m hoch. Das ist schon was. Deshalb führt ein Serpentinenweg hinauf und oben gibt es einen Outlook, von dem man auf die Marsch schaut. Ein lohnenswertes Ziel, wenn man keinen Himalaya hat. Am Ziel angekommen habe ich schon gut 25 km geschafft, nicht schlecht für mich. Aber natürlich muss ich das gleiche wieder zurück, denn einen lieben Engel, der mich jeweils am Ende abholt, habe ich leider nicht. Die Trails in Florida sind leider nie Rundwege, man muss auf dem gleichen Weg zurück. Aber zuvor suche ich noch die Toilette auf. Das ist einfach vorbildlich in USA. Es gibt immer saubere und kostenfreie Toilettenanlagen, da muss sich Deutschland eine Scheibe abschneiden. Auch Trinkwasser ist da und die Möglichkeit, seine Trinkflasche zu füllen.

Zwar wünsche ich mir manchmal auf der Strecke, ein Pickup von einem Ranger würde mich auflesen, aber doch nicht wirklich. Ich habe natürlich den Ehrgeiz, es zu schaffen und bin noch nicht mal sehr kaputt, als ich wieder am Pumphaus ankomme. Ein einzelner Mann sitzt auf der Bank und telefoniert. Laut. Zwar dachte ich manchmal, ist da nicht ein deutscher Klang in der Sprache, aber er spricht eindeutig englisch. Mein Freund der Gator liegt nun nach Stunden immer noch unbeweglich auf seinem Platz und ich mache ein Video. Ob ich ihn mal streicheln soll? Der Telefonierer ist fertig und fragt mich, ob er richtig gehört habe, dass ich mit dem Alligator Deutsch gesprochen habe. Ja, genau. Und er ist Österreicher. Lebt aber schon lange in USA. Zunächst in Kalifornien, das er aber, wie angeblich auch viele andere, verlassen hat, weil dort die Coronamaßnahmen so streng sind. Und ich muss mir eine lange Litanei über Coronapolitik anhören und warum man sich nicht impfen lassen sollte.

Ich flüchte. Auf dem letzten Stück zum Parkplatz dann Wegelagerer. Im Abstand liegen dort vier Alligatoren auf dem Weg. Was macht man da? Man filmt!

Thanksgiving

Die Grundidee des US-amerikanischen Thanksgiving basiert der Encyclopedia Britannica zufolge auf dem „Ersten Erntedankfest“ und wird am vierten Donnerstag des Monats November gefeiert. Die britischen Einwanderer feierten es 1621 gemeinsam mit Vertretern des Wampanoag-Stammes in Plymouth, Massachusetts, um für die Ernte und die guten Ereignisse des vergangenen Jahres Dank zu sagen. Doch gab es auch schon vorher geschichtlich belegte Erntedankfeste in den USA, die jeweils von den Eroberern oft zusammen mit Ureinwohnern gefeiert wurden. Es ist ein typisch amerikanisches Fest, das nicht vergleichbar mit dem deutschen Erntedankfest ist, da es speziell auf den Einwanderern beruht, die dankbar für ihr neues Leben waren, das ihnen Nahrung gab. Im Mittelpunkt steht ein großes Essen, das zusammen mit Familie und Freunden eingenommen wird, die Bestandteile begründen sich auf diese erste Zeit: einen gebratenen und gefüllten Truthahn mit einer reichhaltigen Auswahl an Beilagen und Nachspeisen wie Cranberry-Sauce, Süßkartoffeln (Sweet Potatoes), Apfel- und Kürbiskuchen sowie Gemüse wie Kürbis, grüne Erbsen und Mais.

Freund Bob fragte mich schon vor Wochen, ob ich zum Essen mit in den Eagles Club kommen wollte. Das hatten wir schon einmal gemacht und ich sagte zu. Kurz vorher jedoch meinte er, die hätten den Preis auf 8 $ angehoben und er würde dort sowieso nicht satt, weshalb er lieber ins Golden Coral gehen wollte. Das ist ein Buffet und für 8,49 $ kann man essen, so viel man will, was auch sehr gerne von den Übergewichtigen angenommen wird. Ich sagte enttäuscht ab mit der Begründung, erstens esse ich eh nicht viel und zweitens möchte ich, wenn es schon ein Festtag ist, lieber in einer festlichen Umgebung essen.

Nun kann ich mir wie jeden Tag etwas kochen, ist ja schließlich auch kein Feiertag für mich, aber wenn ich in einer Welt lebe, wo rundum gefeiert wird, dann will ich auch. Und fand ein großes Plakat mit einer Einladung zum Thanksgiving-Essen, kostenlos und für alle. ALLE in Großbuchstaben. Also fuhr ich heute dorthin. Es stellte sich heraus, dass es sich um die Port Orange Christian Church handelte. Super aufgezogen und organisiert. Auf dem Parkplatz schon Einweiser, vor der Tür wurde ich sehr freundlich empfangen. Und dann der Saal! Wunderschön dekoriert. An einer Seitenwand das Buffet, vor dem unzählige Helfer standen, vor jedem Menuebestandteil einer. Und die Kellner! So etwas muss man gesehen haben. Ein Mädchen und ein Junge kamen dauernd an unseren Tisch, um zu fragen, ob wir noch Wünsche hätten. Höchstens erstes Schuljahr und so lieb und höflich.

Große runde Tische waren festlich geschmückt und ich eröffnete einen neuen. Melissa von der Kirche setzte sich sofort zu mir, um mir ein bisschen Hintergrundwissen zu geben und natürlich auch zu fragen, wer ich bin und mich zum Gottesdienst einzuladen. Aber sehr freundlich, absolut nicht aufdringlich. Mir war nicht klar, zu welcher Glaubensrichtung die Kirche gehörte, sie meinte, wir sind christlich, offen für jede Richtung. Bald kamen weitere Gäste an meinen Tisch und wir unterhielten uns sehr angeregt. Michael und Donna sind Mitglieder in gleichen Fitnessclub, der auch gerade gegenüber der Kirche liegt. Daher hatte ich ja das Plakat bemerkt. Als Donna erzählte, dass sie neue Fahrräder hätten habe ich ihnen gleich mein Bikebook verkauft. Aber dann fing Michael an, mehr über die Kirche zu erzählen. Unglaublich engagiert, er hörte gar nicht mehr auf. Irgendwann fragte er aber, zu welcher Richtung ich gehöre, ich sagte die Wahrheit, katholisch getauft, aber schon lange ausgetreten. Zunächst war er geschockt, doch dann legte er so richtig los und ganz langsam merkte ich, welcher Richtung die Kirche eben doch angehört. Nämlich der wiedergeborenen Christen. Von denen habe ich spätestens seit Präsident Bush nicht unbedingt die beste Meinung. Und natürlich wurde ich noch einmal bestürmt, doch ganz bestimmt am Sonntag zum Gottesdienst zu kommen.

Aber das Essen war super und ich habe mich in dem Kreis sehr wohl gefühlt. Und ein Foto meines Essens etwas hämisch an Bob geschickt.

Farmtour

Immer eine Woche vor Thanksgiving findet im Volusia County die Farmtour statt. Da mache ich schon seit Jahren mit, da man einen guten Einblick in die Landwirtschaft des Bezirks bekommt. Der normale Florida-Urlauber, der Themenparks und Strand besucht, denkt vielleicht gar nicht daran, dass es doch bedeutende Landwirtschaft im State gibt. Zu jeder Farmtour öffnen einige Farmen ihre Tore und zeigen ihre Arbeit. Heute habe ich mir die vier teilnehmenden Farmen in meiner Nähe ausgesucht und dabei hat mich eine besonders beeindruckt, über die ich berichten möchte. Bisher gab es eigentlich nur private Farmen, die Gemüse anbauen, Tiere züchten oder Honigbienen halten. Doch diesmal war das Land Lab der High School von New Smyrna Beach dabei. Und das war eine Überraschung, denn so etwas gibt es in Deutschland nicht.

Die Schule unterhält diese Farm mit Ziegen, Schafen, Schweinen und Kühen. Es gibt zwar auch Kaninchen, aber nicht auf der Farm, die haben die Schüler meist zuhause. Auch andere Tiere haben sie auf ihrer eigenen Farm, da hier ja auch viele Farmerkinder zur Schule gehen. Die Farm ist wie ein richtiger Landwirtschaftsbetrieb aufgebaut und die Schüler haben besondere Aufgaben, die nicht nur die Versorgung der Tiere beinhalten, sondern sie lernen auch die wirtschaftliche Seite kennen. Etliche Schülerinnen standen in kleidsamer Uniform bereit, um uns Besucher herumzuführen. Emma Normann erklärte uns alles sehr engagiert, so dass ich sie fragte, ob sie auch später einen Beruf in dieser Richtung anstreben möchte. Sie sagte, ja auf jeden Fall, sie wird in diesem Sommer die High School abschließen, dann auf eine Landwirtschaftsschule gehen und schließlich landwirtschaftliche Lehrerin werden, also genau in die Richtung dieser Farm.

Übrigens werden die Tiere nicht zur Schlachtung gehalten, sondern zur Zucht. Die Schüler gehen auf Ausstellungen und haben schon viele Preise gewonnen. Da kommen dann auch die Kaninchen mit und ich habe sie sogar auf der kürzlichen Ausstellung auf der Volusia County Fair gesehen. Und genau da stammen auch die Küken her, die in einem Kasten mit Wärmelampe untergebracht sind. Die Schüler haben sie von anderen Farmern geschenkt bekommen, die sie nicht haben wollten, da weiblich. Sie züchten Hähnchen.

Da wir nur Mädchen sahen fragten wir natürlich, ob denn keine Jungs bei dem Projekt mitmachen. Doch, sagte Emma, aber sie halten die Tiere meist zuhause und sind heute bei der Präsentation nicht dabei.

 

Deutschland

Was ist nur in Deutschland los. Das ist kein Land mehr, auf das ich stolz bin, zu dem ich gehören möchte. Die Coronazahlen schießen in die Höhe, die Politik ist zerstritten wie nie. Die CDU hat monatelang nichts getan, blieb völlig in ihre eigenen Probleme verstrickt, und nun plötzlich werden sie aktiv. Und versuchen die Pläne der künftigen Regierung zu blocken. Ich bin so froh, dass die CDU und ihre unfähigen Minister bald weg sind vom Fenster, aber ich würde zumindest so viel Menschlichkeit erwarten, dass sie nun nicht die Handlungen weiter verhindern. Im Bundestag konnten sie das neue Gesetz nicht verhindern, aber im Bundesrat wollen sie es blockieren.

Ich bin nur froh, dass ich rechtzeitig geflüchtet bin. Wenn alles gut geht kann ich bis zum März bleiben und ich hoffe sehr, dass es in Deutschland bis dahin besser geht. Und kann nur jedem raten, der wie ich Rentner und frei ist, machen Sie das gleiche. Flüchten Sie so schnell wie möglich, suchen sich ein schönes Land für den Winter und bleiben Sie Deutschland fern. Ich habe auch die Befürchtung, dass, wenn die Zahlen in Deutschland weiter steigen, viele Länder ihre Grenzen für Deutsche dichtmachen werden.

Für Corona bin ich kein Experte. Ich kann nur beobachten und mir das für mich persönlich am passendste heraussuchen. Und das habe ich mit Florida getan. Hier waren die Zahlen im Sommer auch extrem hoch. Und man hat so gut wie nichts dagegen getan. Die Impfrate ist ähnlich hoch wie in Deutschland. Was hier deutlich besser ist, ist das Impfangebot. Hier wird nicht beim Arzt geimpft, sondern in den Apotheken. Es gibt zwar auch öffentliche Impfzentren, aber recht wenig,. Dafür sind die Apotheken sehr, sehr zahlreich. Am Tag, als meine zweite Impfung genau ein Jahr her, war fragte ich online nach einem Termin bei meiner bevorzugten Walgreens-Pharmacie für den Booster und konnte bereits nach 45 Minuten vorfahren. Karte ausgefüllt, Pieks und fertig. So geht das hier.

Negativ ist zwar, dass es hier bestimmt so viele Impfgegner gibt wie in Deutschland, aber trotzdem sind die Zahlen sehr niedrig. Es gibt so gut wie keine Coronamaßnahmen mehr. Zwar streitet der Gouverneur mit den Kommunen über eine Maskenpflicht in den Schulen, aber im Alltag ist die Maske praktisch nicht da. Nur einige Angestellte tragen sie, und sehr, sehr wenige Bewohner. Ansonsten ist wirklich alles auf, es gibt Feste, Konzerte und Sportveranstaltungen.

Ja, das ist mein Land.

Purple Martin- Condominium

Heute war feierliche Eröffnung des Purple Martin Condominiums am Mill Lake in Orange City, fast alle Honoratioren der Stadt waren anwesend, der Bürgermeister hielt die Eröffnungsrede. Meine deutschen Freunde wissen vielleicht nicht, was ein Condominium ist. Es ist eigentlich eine Eigentumswohnungsanlage. Meist sind es diese großen Häuser am Strand, deren Wohnungen verkauft werden, aber auch als Ferienwohnung weiter vermietet. Sie haben oft 100 und mehr Wohnungen.

Doch nicht dieses neue Gebäude hoch oben auf einer Stange. Es enthält nur 18 Räume, aber dennoch sind alle sehr stolz darauf. Nun wisst ihr wohl auch nicht, was Purple Martin ist. Wikipedia sagt dazu: Mit 20 cm Länge ist die Purpurschwalbe der größte Vertreter der Schwalben in Nordamerika. Die Purpurschwalbe brütet von Südkanada bis Mexiko und überwintert im Amazonasbecken. Die Purpurschwalbe brütet im Osten, also auch Florida, fast ausschließlich in Nistkästen, anderswo nützt sie verlassene Spechthöhlen, Löcher in Kakteen und Bäumen und sogar Felsklippen zum Nisten.

Und so wurde nun also am schönen Mill Lake in Orange City dieses Wohnhaus in luftiger Höhe für sie eröffnet und alle hoffen, dass es im nächsten Frühjahr bewohnt sein wird.

Ann

In diesem Jahr sind es genau 20 Jahre, dass ich mein zweites Heim in Florida gefunden habe. Ich lebe in einer kleinen Sackgasse mit wenigen Anwohnern. Am Anfang hatten wir alle ein gutes Verhältnis, setzten uns auch privat zusammen, aber über die Jahre gab es neue Leute und dieses nette Beisammensein ging verloren. Ann gehört noch zu den „Alten“. Eng ist unser Verhältnis nicht, aber ich war schon bei ihr zum Thanksgiving-Essen eingeladen. Doch sie genauso wie andere ältere Nachbarn in der Straße neigen in der letzten Zeit dazu, sich ganz in ihrem Haus zu vergraben, man sieht sie nicht im Garten und sie verlassen das Haus nur zum Einkaufen.

Als ich damals einzog hatte Ann’s Mann noch gelebt, war aber krank. Sie hat ihn liebevoll gepflegt bis zu seinem Tode, damit war sie sogar schon zum zweiten Mal Witwe. Nach einiger Zeit tauchte dann ein neuer Freund auf, Eddie, ein richtiger „Redneck“. Republikaner und Trump-Fan durch und durch. Entweder fuhr er knatternd auf seiner Harley vor oder im großen Pickup Truck geschmückt mit der USA- und der Florida-Flagge. Innen war sicher auch ein Gewehr, ein richtiger Redneck also. Übrigens sind beide in den Siebzigern.

Diesmal also sah ich Eddie nicht und Ann vergrub sich im Haus. Ich weiß aber auch, dass sie öfter mal kränkelt und wartete schon auf eine Gelegenheit, ihr meine Hilfe anzubieten. Die kam heute. Über Nacht hatten wir einen gewaltigen Sturm und der abgestorbene Palmstamm vom nicht bewohnten Nachbargrundstück war quer über Ann’s Einfahrt gefallen und nahm ihr so die Möglichkeit, mit dem Auto raus zu fahren. Zum Glück schrammte die Palme haarscharf an ihrem Gartenzaun entlang und hat nichts beschädigt. Wenigstens nichts menscheneigenes.

Ich ging also zu Ann und bot ihr meine Hilfe mit der Motorsäge an. Zunächst aber war ich erschrocken, wie sie aussieht. Sie ist alt geworden. Ann war immer schick, aber sie raucht auch viel. Trinkt wohl eher mäßig. Klar fragt man ja hier immer, wie geht es. Bekommt auch standardmäßig die Antwort, alles gut. Aber diesmal erzählte Ann doch etwas mehr. Zunächst einmal, Eddie ist tot! Gestorben an Corona. Sie war als erste infiziert, hat Eddie angesteckt, der kam 7 Tage später ins Krankenhaus und starb nach weiteren 19 Tagen. Ann war nicht so schwer erkrankt, dass sie ins Krankenhaus musste, aber sie ist noch heute geschwächt und hat viele Probleme. Damit ist sie tatsächlich die erste Person in meinem Bekanntenkreis, nach 18 Monaten Pandemie, die krank ist oder wo sogar jemand gestorben ist. Ich hatte tatsächlich vorher noch niemanden persönlich gekannt.

Klar habe ich Ann gefragt, ob sie geimpft war. Die Antwort konnte ich mir natürlich selbst geben. Als glühende Trump-Fans waren sie selbstverständlich beide nicht geimpft. Tja, was soll man da sagen.

Man greift zur Motorsäge und schafft den Baumstamm beiseite. Wie schon zuvor angedeutet, ist durch das Umfallen kein Mensch zu Schaden gekommen, aber es haben doch etliche Lebewesen ihr Heim verloren. Dieser tote Baumstamm war sehr beliebt bei den Vögeln, die sich darin ihr Nest gebaut haben. Und auch ein Bienenvolk betrachtete es als seine Heimat. Nun fliegen sie völlig verwirrt herum und versuchen, die Situation zu meistern.